September 2022
30.09.2022
14:00 Uhr: Wir waren um 09:00 Uhr im Klinikum und die Wunde wurde begutachtet. Der Verband schaut besser aus als am Mittwoch, nur noch ganz leicht Wundsekret ist zu sehen. Aber so lange minimal Flüssigkeit austritt, wird kein Risiko eingegangen und kein Faden gezogen. Wir bekommen einen neuen Termin nächste Woche Dienstag. Wir haben den 18. post-operativen Tag, normalerweise werden Fäden nach 14 Tagen gezogen. Aber was ist schon normal.. Die SAPV meldet sich und wir verabschieden uns ins Wochenende.
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Bevor wir wieder in dieses Klinikum fahren, möchte ich noch etwas zum glücklich sein sagen. Es beschäftigte mich diese Woche immer wieder. Ich fuhr die Woche mal mit Irina im Auto und fragte sie, ob ihr irgendetwas fehle. Darauf antwortete sie: Nein, ich habe alles was ich brauche, ich bin glücklich.
Ein todkranker Mensch wie meine Frau, die vermeintlich nichts mehr vom Leben hat, die nicht mehr arbeiten kann, nicht mehr Auto fahren darf, andauernd auf fremde Hilfe angewiesen ist und nicht mal weiß wie lange ihr Gehirn noch einwandfrei funktioniert etc. etc. etc. – ist ohne Mangel glücklich. Sie ist vollkommen erfüllt, mit etwas das jegliches irdische Glück völlig übersteigt. Diese Erfüllung, dieses glücklich sein, ist es wonach sich so viele Menschen sehnen. Ein Leben in dem es dir an nichts mangelt und du völlig zufrieden bist, egal wie deine Umstände gerade sind. Diesen innerlichen Frieden gibt es nur bei Jesus. Irinas „glücklich sein“ ist nicht irgendein Gefühl, es ist der hoffnungsvolle Ausdruck ihres Glaubens bewirkt durch Jesus in ihr. Die Hoffnung auf ein Leben danach, resultierend aus der Gewissheit über ihr Heil in Christus Jesus. Noch im Auto dachte ich gleich an folgendes Wort:
„Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“
Kolosser 1, 27b
Bei Jesus gibt es nichts zu verlieren, nur Gewinn und jeder kann kommen!
29.09.2022
Die Übelkeit ging über Nacht weg und kam heute auch nicht wieder. Ich stehe in engem Kontakt mit der SAPV und werde durch den Arzt am Telefon ermutigt. Tumorpatienten bekommen manchmal auch einfach nur auf Grund von Stress Übelkeit und der gestrige Ausflug in die Notaufnahme fällt genau in so eine Kategorie. Da die Übelkeit nicht anhaltend ist, besteht zunächst mal kein größerer Anlass zur Sorge. So gehen wir weiter, Tag für Tag. Wir gingen mit Naomi an die frische Luft zum Spielplatz und ich sah in Irinas Augen wie glücklich sie ist. Einfach nur ihre Tochter erleben und alles intensiv wahrnehmen. Sie ist glücklich.
Morgen früh um 09:00 Uhr sind wir zur erneuten Wundkontrolle im Klinikum.
28.09.2022
20:30 Uhr: Wir sind wieder zuhause. Was ist passiert? Die Lichtverhältnisse bei uns zuhause haben sowohl bei mir, als auch der Palliativ-Ärztin zu einer „Fehleinschätzung“ geführt. Es war aber gut ins Klinikum zu fahren, denn erst unter dem sterilen Licht dort konnte man alles besser erkennen. Das was wir für eine minimal durchschimmernde Schädeldecke hielten, war schließlich doch eine dünne und weißgefärbte Hautschicht. Nach wie vor ist das nicht optimal, aber somit ist die Gefahr, insbesondere die einer Infektion, erstmal ausgeschlossen. Eigentlich gute Nachrichten, doch in der Notaufnahme setzt bei Irina eine starke Übelkeit ein und sie erbricht mehrmals. Sie verliert an Kraft und ich bringe sie daheim nur noch ins Bett.
Aber eins überwiegt heute, die Freude und Erinnerung an unseren 4. standesamtlichen Hochzeitstag!Definitiv eine der besten Entscheidungen die ich in meinem Leben getroffen habe! Egal wie stark der Druck gerade mal wieder ist, wir stehen das gemeinsam durch und Gott führt uns dadurch! Passend dazu ein paar Verse die Irina heute mit unserer Logopädin in der Bibel gelesen hat:
„Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich“
Psalm 23, 1-4
16:00 Uhr: Wundkontrolle und dann nimmt der Wahnsinn wieder seinen Lauf. Die Wunde sieht gut aus, der Verband ist nur ein wenig nass, aber ich sehe eine minimale Öffnung, wo etwas weißes durchblitzt. Es könnte Schädeldecke sein und zur Absicherung kontaktiere ich die Notrufnummer der SAPV. Die diensthabende Ärztin ist zufällig Wundexpertin, kommt schnell vorbei, bestätigt dann aber leider den Verdacht. Wir fahren in die Notaufnahme. Es folgt Näheres sobald ich Infos bekomme. Soweit geht es Irina gut, keine Schmerzen. Danke für euer Gebet.
14:00 Uhr: Ich habe einen Termin auf der Dienststelle mit dem Chef und Personalräten. Wir besprechen die Lage und wie man uns unterstützen kann. Es war ein gutes Gespräch und ich bin dankbar für den Rückhalt meiner Dienststelle. Es bleibt erstmal alles beim alten: ich arbeite weiter Teilzeit 50% und das nur im Homeoffice. Nicht zum ersten Mal wird mir deutlich, wie die Verbeamtung mir die Jobsicherheit garantiert. Auch wenn das nie der ausschlaggebende Beweggrund bei meiner Berufswahl war. Ich bin einfach froh und dankbar Polizeibeamter zu sein.
Nach dem Gespräch treffe ich noch Kollegen auf der Wache und wir tauschen uns kurz aus. Viele lesen und fiebern hier mit. Dennoch könnte dem ein oder anderen eine Frage unter den Nägeln brennen und ich verstehe das. Manche Details sind nicht klar oder bedürfen einer Nachfrage, aber die Rücksicht steht über dem informatorischen Interesse. Dennoch habe ich mir länger darüber Gedanken gemacht und mir im Rahmen meiner Koordinierungspläne eine Lösung überlegt. Es wird einen Ansprechpartner geben, ein befreundeter Arbeitskollege von mir, der auch von der PI Mitte ist und der in die gleiche Gemeinde geht wie wir: Felix R.
Felix ist insbesondere Ansprechpartner für meine näheren Kollegen, dürfte von daher bekannt sein und auch wie er zu erreichen ist. Der ein oder andere hat einfach Fragen und hält sich dankenswerterweise rücksichtsvoll zurück. Aber hierfür könnt ihr absofort gerne Felix kontaktieren. Vielen Dank.
11:00 Uhr: Gestern kam unsere Haushaltshilfe mal wieder und am Vormittag hatte ich mit Irina einen Termin bei der Onkologie. Das Gespräch war wie immer offen und ehrlich und wir wollten klären in wie weit Irina therapeutisch weiter unterstützt werden könnte. Die Frage die wir mitbrachten war, ob man das bis dato erfolgreichste Medikament von der Immuntherapie weitergeben könnte? Das Ergebnis: Aktuell würde man die Immuntherapie nicht mehr empfehlen, da man diese bei Tumorprogression* nicht mehr anwendet. Hier kann man nur noch Schaden begrenzen durch eine andere Chemotherapie, wo es allerdings auch noch Optionen gäbe. Es bleibt abzuwägen, denn wir haben gelernt: keine Medikamente ohne Nebenwirkung! Hier spielen Umstände und Symptomatik eine Rolle, woran man aber auch entsprechend niedrig dosiert Therapien noch berücksichtigen kann. Alles steht unter dem Motto: nur lebensverbessernde Maßnahmen, Medikamente so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig. Hierzu ziehen SAPV und Onkologie mit uns an einem Strang, worüber wir sehr dankbar sind. Aber vor Freitag geschieht sowieso nichts, da dort erst die Wundkontrolle stattfindet.
*=Die Tumorprogression ist die dritte und letzte Phase der Tumorentwicklung. Diese Phase ist durch eine erhöhte Wachstumsgeschwindigkeit und Invasivität der Tumorzellen gekennzeichnet.
26.09.2022
Leider kommt es mal wieder anders als gedacht. Als ich Irina heute Früh wecke, um mit ihr zum Fadenzug ins Klinikum zu fahren, finde ich ein nasses Kopfkissen vor. Irgendwie ist irgendwo aus der Kopfwunde Wundflüssigkeit ausgetreten! Kurzer Schock, zum Glück sind wir heute sowieso im Klinikum, aber unter diesen Umständen wurden die Fäden nicht gezogen. Die Ärztin im Klinikum begutachtete die Wunde, eigentlich ist soweit alles in Ordnung, sie ist reizlos, nirgendwo Schmerzen. Aber dort wo bereits zweimal das Implantat rauskam, scheint sich die Haut einfach schwer zu tun richtig zu zu heilen. Also gleiches Prozedere und gleiche Gefahr wie beim letzten Mal. Fäden drin lassen, Verband Mitte der Woche kontrollieren, Freitag wieder kommen. Einziger Vorteil, diesmal drückt kein Implantat, was die Wundheilung eigentlich begünstigen sollte. Mal wieder abwarten. Auch wenn die Situation aktuell deshalb nicht gefährlicher als sonst ist und Irina nach wie vor alles machen kann, stoßen wir an unsere Grenzen. Wie immer ist nichts normal, aber v.a. wieder erneute Strapazen für Irina. Es könnte doch auch einfach mal was gut laufen..Aber wir wollen nicht jammern, denn..
Was dafür mittlerweile richtig gut läuft, ist unsere Versorgung. Lange hatte ich einen Plan für Essenshilfe in der Schublade und eine liebe Schwester aus unserer Gemeinde hat sich bereit erklärt die Koordination dafür zu übernehmen. Bis dahin war mein Plan bloß Theorie und was ich dabei nicht vorhersehen konnte, war dass diese Schwester auch noch ein unfassbares Talent dafür hat! Innerhalb kürzester Zeit stellte sie aus weiteren Geschwistern ein Kochteam zusammen, die uns gezielt mit Essen beliefern. So kommen hier beinahe täglich frische Essenslieferungen an und wir müssen uns nur noch um Kleinigkeiten selber kümmern!
Liebe Sophia und all ihr wunderbaren Köchinnen, habt vielen herzlichen Dank, ihr seid uns ein absoluter Segen und es schmeckt auch noch richtig lecker! Danke auch an die glücklichen Ehemänner, die uns das Essen regelmäßig vorbeibringen! Habt vielen lieben Dank für all eure Unterstützung, denn so können wir uns auf das wesentliche konzentrieren! Möge der HERR euch reich segnen für diesen Dienst!
25.09.2022
Ich komme heute erst spät dazu zu updaten, da ich bis spät abends das Wochenende in der Sauna bei einem Bruder aus der Gemeinde ausklingen lasse. Was war die Tage los, um welche Überraschung ging es?
Als erstes entführte ich Irina ins Planetarium. Als wir uns kennengelernt hatten, äußerte sie den Wunsch dort gerne mal hin zu wollen. Sie liebt den Sternenhimmel und wir hatten schon oft romantische Momente auf unserem Balkon, wo wir einfach in den Sternenhimmel geblickt hatten. Also schenkte ich ihr zu Weihnachten einen Gutschein fürs Planetarium und nun war es einfach dran den einzulösen. Es war eine schöne Vorstellung und wir staunten über Gottes Größe, die im Universum sehr sehr deutlich wird.
„Er zählt die Zahl der Sterne und nennt sie alle mit Namen.
Groß ist unser Herr und reich an Macht; sein Verstand ist unermesslich“
Psalm 147, 4 u. 5
Nach der Vorstellung ruhten wir uns etwas aus, um für das Abendprogramm fit zu sein. Denn dort kam dann die eigentliche Überraschung: Freundinnen aus der Heimat! Die Damen reisten abends an und wir gingen in ein japanisches „Erlebnis-Küchen“ Restaurant. Wir hatten viel Spaß, gutes Essen und gingen spät ins Bett. Nach der Gemeinde besuchten uns die Damen heute noch bis Nachmittag zuhause und wir ratschten bei Kaffee und Kuchen. Eine gelungene und abwechslungsreiche Begegnung mit Irinas langjährigen Freunden, worüber alle Beteiligten einfach dankbar waren.
Ab morgen beginnt wieder der Alltag. Es steht der Fadenzug im Klinikum an. Auch der Rest der Woche ist gut getacktet mit Terminen und die Herausforderung wird weiterhin sein, es für Irina, aber auch generell für uns als Familie, so positiv wie möglich zu gestalten. Vielleicht mit einer weiteren kleinen Überraschung …
23.09.2022
Das Wiedersehen mit unserer lieben Logopädin gestern war sehr schön und die Stunde tat Irina sehr gut. Nachdem das Wetter spätsommerlich sonnig war und Irina gut bei Kräften, entschieden wir uns für einen spontanen Zoo-Besuch.
Der Ausflug war gelungen und bereitete Irina richtig Freude! Die drei Stunden zeigten aber auch körperlich ihre Wirkung und Irina ging sehr früh ins Bett. Vieles ist für sie viel kräftezehrender, aber Bewegung an der frischen Luft und v.a. Familienaktivität tun ihr richtig gut. So ging sie fröhlich erschöpft ins Bett.
Heute gönnte ich den Irinas etwas Zeit für sich und schnappte mir Naomi, um ein befreundetes Ehepaar aus unserer Gemeinde zu besuchen. Sie haben ebenfalls eine fast gleich alte Tochter und neben Kaffee für uns, tobten sich die Kleinen aus. In meiner Abwesenheit gingen die beiden Irinas in die Stadt und gingen etwas einkaufen. Ein gelungener, aber für Irina doch auch wieder anstrengender Ausflug.
Doch die Freude überwiegt auch heute wieder!
Morgen übernimmt meine Mutter Naomi und holt sie übers Wochenende zu sich. Mal sehen wie wir diese freie Zeit für Irina gestalten können .. evtl. gibt es eine kleine Überraschung.
22.09.2022
Die ersten Tage zuhause, vieles ist anders, einiges bleibt gleich und es gibt neue Herausforderungen. Die neurologischen Einschränkungen sind leider schon stark fortgeschritten, aber mit viel Unterstützung können wir den Alltag für und mit Irina gut gestalten. Naomi ist hier eine tolle Partnerin, Kinder stellen generell nicht so viele Fragen und man kommuniziert anders. Das tut uns allen sehr gut und lenkt den Fokus auf das wesentliche. So gingen wir am ersten Tag gleich noch mit Naomi nach draußen auf den Spielplatz und hatten einfach Freude daran.
Leider gibt es wieder technische Probleme mit der App und ich verliere Text den ich hier geschrieben hatte und v.a. wertvolle Zeit. So kann ich nur kurz über gestern berichten.
Das Palliativ-Team der SAPV war da und die Abstimmung läuft gut. Wir sind sehr dankbar, dass wir zuhause betreut werden. Ich fasse die Erkenntnisse aus diesem Austausch mit dem Palliativ-Arzt, der übrigens letztes Jahr schon mal da war, in seinen Worten zusammen:
„Ich komme selten zu Patienten, denen es nach einem Jahr dann besser* geht als beim ersten Besuch.“
„Wir sind hier noch nicht an dem Punkt, wo wir jetzt schon endgültig die Flinte ins Korn werfen.“
Wir sind dankbar für diese Einschätzung und die optimistisch, positive Herangehensweise der SAPV. Ich denke, dass sie auch einfach unsere Hoffnung sehen und wir ernten, was wir säen.
Heute steht noch Logopädie an und vielleicht komme ich die Tage dazu wieder etwas ausführlicher zu berichten .. der Support konnte bisher das technische Problem leider nicht finden .. warten wirs ab.
* mit besser ist v.a. der physische und kognitive Part gemeint.
20.09.2022
Das technische Problem wurde gestern behoben.
14:00 Uhr: wir sind wieder vereint und Irina ist zuhause angekommen, worüber wir sehr froh sind.
10:00 Uhr: Das Spezial-ambulante-Palliativ-Team (absofort abgekürzt mit SAPV) kann morgen zu uns nachhause kommen und sie befürworten (unter den genannten Umständen) auch eine heutige Entlassung. Ich organisiere noch ein paar sanitäre Dinge, um für Irina eine pflegesichere Situation herzustellen. Ich sage es leider wie es ist, sie wird schwächer und wir wollen für eine Bettlägerigkeit, mit allen einhergehenden Problemen, vorbereitet sein. Irina braucht jetzt eine Vollversorgung und die bekommt sie auch! Gegen Mittag ist angedacht, dass ich sie abhole.
08:00 Uhr:
Ich konnte einige Dinge gestern klären und die Neurochirurgen halten Irina für entlassungsfähig. Wunde und Werte sind in Ordnung, Antibiotika kann abgesetzt werden. Jetzt muss die Palliativ Versorgung für zuhause stehen und hier hängt es jetzt leider. Scheinbar aus logistischen Gründen, wir sind ja nicht der einzige Fall der betreut wird. Das Motto nichts zu überstürzen gilt weiterhin, allerdings ist ein weiterer Aufenthalt auf der Neuro-Station nicht mehr sinnvoll. Die Betreuung ist einfach nicht angemessen, weil die Pfleger sie nicht engmaschig genug betreuen. Gleichzeitig werden medizinische Dinge nicht mit mir abgesprochen, trotz Patientenverfügung und Vollmacht. Hier kam es jetzt schon zu einem inakzeptablen Vorfall, was die Verabreichung gewisser Medikamente betrifft und wir ringen nach einer Lösung. Ich klemme mich sofort dahinter, muss überall hinterher telefonieren und bin ab 14 Uhr wieder im Klinikum.
19.09.2022
Im Moment gibt es leider ein technisches Problem mit der Mobile-App und ich kann keine Beiträge bearbeiten/hochladen. Ich warte auf den Support.
So konnte ich gestern hier kein Update mehr geben und steuere das heute über meinen Laptop nach. Bis zur Behebung des Problems nur ein kurzes Update. Irina ist nach wie vor stationär im Klinikum und wir konnten sie gestern wieder mit ihrer Mama und Naomi besuchen. Wir gingen spazieren und waren zusammen auf dem Spielplatz. Irina ist nach wie vor schmerzfrei, allerdings auch mit entsprechender Medikation und muss noch weiter intravenös Antibiotika bekommen, wegen der vergangenen Schädeldecken-Operation. Sie ist nach wie vor kognitiv stark eingeschränkt, worunter ihre Kommunikation sehr leidet. Aber sie versteht eigentlich alles und ist geistig völlig anwesend. Und das wichtigste: sie hat Frieden und Ruhe im Herzen! Vielen Dank für eure Gebete.
Aussicht: Vor dem Wochenende wurde es schon angedacht und heute/die Tage wird es sich konkretisieren. Wir möchten Irina nachhause holen. Nachdem Irina medizinisch/chirurgisch aufgegeben wurde (inoperabler Zustand, wie berichtet), ist die medizinische Versorgung ein Palliativ-Fall. In Anbetracht der Gesamtumstände wird diese Betreuung für zuhause angedacht und muss organisiert werden. Damit die Entlassung ein reibungsloser Übergang wird, der aus allen Perspektiven auch zu verantworten ist, muss vieles geklärt werden. Dazu muss sich Irina in einem entlassungsfähigen Zustand befinden. In erster Linie müssen dafür die Operationswunde am Kopf und ihre Infektionswerte in Ordnung sein. Zeitgleich muss die Palliativ-Versorgung zuhause gewährleistet sein, wozu die Spezialisten (Augsburger Hospiz- und Palliativversorgung e.V.: Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung) rechtzeitig mit im Boot sein müssen. Viel Orga und viel Fingerspitzengefühl. Wer macht wann was wo? Und ich brauche überall den Überblick. Hier könnt ihr gerne für alle Beteiligten beten, dass es zu einer guten Lösung, mit möglichst reibungslosem Ablauf, kommt. Die Entlassung soll sobald als möglich stattfinden und sobald es spruchreif wird, gebe ich die Infos hier weiter. Es kann aber auch noch eine Klinikinterne Verlegung auf die Palliativ-Station erfolgen. Hier gilt jetzt ein allgemeingültiges Motto für alle:
nichts überstürzen!
Drei Anmerkungen noch:
1. Was heißt palliativ? Das wichtigste Vorweg: Palliativ ist keine Sterbehilfe! (Was auch immer jeder unter dem Begriff Sterbehilfe verstehen möchte). Unter dem o.g. Link der „ahpv“ könnt ihr euch gerne darüber detailliert einlesen, ansonsten hier eine kurze Begriffserklärung:
Der Begriff palliativ bezeichnet therapeutische Maßnahmen, die nicht auf die Heilung einer Erkrankung, sondern auf die Linderung der durch sie ausgelösten Beschwerden (Symptome) ausgerichtet sind. Die palliative Therapie ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung fortgeschrittener Tumorerkrankungen, aber auch nichttumoröser Erkrankungen (z.B. fortgeschrittene Herzinsuffizienz, ALS). Sie dient hier vor allem zur Verbesserung der Lebensqualität des Erkrankten und ist die Domäne eines eigenen medizinischen Fachgebiets, der Palliativmedizin.
2. Wann kann oder darf man Irina sehen oder besuchen?
Im Klinikum gilt weiterhin: eine Person am Tag. Das werde weiterhin nur ich oder Angehörige sein und hier wird es keine Möglichkeit geben. Der Einfachheithalber: falls jemand Blumen oder Karten bringen möchte, bringt/schickt sie bitte an unsere Hausanschrift. Ich kann dann alles von hier mitnehmen und es gibt keine logistischen Probleme vor Ort (Falls Irina verlegt wird z.B.). Hierfür gerne kurz vorher mit mir Kontakt aufnehmen, dass auch jemand da ist. Am besten vormittags oder nach 20 Uhr.
Ab Entlassung zuhause gilt: gebt uns ein wenig Zeit. Es soll und wird die Möglichkeit geben Irina zu besuchen, das ist auch ihr Wunsch. Je nach Zustand und Umständen werden wir die Sinnhaftigkeit und Zumutbarkeit prüfen. Lasst mich die Steuerung hier und über private Kanäle übernehmen, damit wir einen geordneten Ablauf hinbekommen. Denkt an das Motto!
3. Hilfsangebote:
Aktuell werden wir in allen nötigen Bereichen ausreichend betreut und versorgt. Wir haben unsere Gemeinde und ich bin dabei eine Art „Koordinierungsstelle“ mit Ansprechpartner einzurichten. Auch auf der Arbeit wird es diese Woche ein Gespräch mit der Leitung und dem Personalrat geben. Was die Hilfe betrifft: Wir sind nicht allein! Lasst mich die Koordinierung im Vorfeld (also aktuell) planen und wenn es soweit ist, kommunizieren. Haltet euch einfach hier up to date und habt vielen Dank für eure Hilfsbereitschaft! Denkt einfach an das Motto!
Und denkt immer daran, vielleicht kommt auch morgen schon unser HERR wieder
Maranatha!
17.09.2022
Gestern konnten Irina und ich einen Spaziergang bis vor das Klinikum machen. Sie ist gut bei Kräften und sie genoss die wenigen Spät-Sommerstrahlen bei kühlen Herbsttemperaturen. Ich fragte sie wie sie sich fühlt als frisch verheiratete Frau und wir lachten und amüsierten uns darüber. Es sind gerade überall Baustellen am Klinikgelände und so mussten wir einmal einen etwas abenteuerlichen Trampelpfad nehmen. Hierbei erinnerte ich mich an eines unserer ersten Dates, das auch etwas abenteuerlich war: ein Klettergarten. Irina hatte sich damals beim Klettern in mich verliebt und das obwohl ich danach beim Essen die Rechnung nur für mich bezahlte. Ja, ich war damals schon eine ziemliche Herausforderung und auch in anderen Bereichen offenbarte ich Irina eigentlich nur Baustellen für eine Beziehung. Ich hielt mich damals für beziehungsunfähig (war ich auch), frisch geschieden, mit Geldproblemen und voll mit einem Berg voll Sorgen. Ich war damals am Ende, fühlte mich wie ein wandelnder Fehler und wollte eigentlich in irgendeine Therapie gehen. Aber Irina sah damals wie heute nur auf mein Herz und sagte: du kannst bei mir in Therapie gehen. Seither hat Irina mich in all meinen „Fehlern“ unterstützt und mir geholfen ein anständiger Ehemann zu sein.
Sie blickte mich gestern wie damals mit den selben verliebten Augen an und heute immer noch. Ich teile gerne mit euch diese Erinnerungen, die uns gestern den ganzen Nachmittag verschönert haben. Es gab auch andere Phasen in unserer Beziehung, als noch das Ego regiert hat. Aber unsere Liebe und Beziehung hat nur durch Gott bis heute Bestand. Er war es der uns zu dieser Einheit gemacht hat, seine Liebe. Er ist es der uns diese Momente in dieser unfassbar grausamen Krankheit gibt. Er ist das Band, das uns zusammenhält.
„Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.“
Kolosses 3, 14
Die Ehe ist von Gott, Ehe bedeutet Arbeit und Ehe führen ist eine Berufung. Wir möchten eine Buchempfehlung weitergeben, die uns bei der Eheführung hilfreich war und ist.
Mit Gottes Hilfe ist die beste und vollkommenste Einheit dieser Welt, immer noch die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau. Und das auch nur in dieser Konstellation.
Vormittags ist bei uns in der Gemeinde eine Veranstaltung, wo Familien mit ihren Kindern teilnehmen. Für uns und Naomi eine gute Abwechslung. Nachmittags wollen wir Irina gemeinsam am Klinikum besuchen.
16.09.2022
14:00 Uhr: Mein Vormittag ist gefüllt mit Orga, viele Telefonate mit Arbeit und Personalrat, dazu manage ich mit unserem befreundeten Anwalt Abläufe wegen diversen bürokratischen Akten. Mittags erreicht mich die zuständige Ärztin der Palliativ Station vom Klinikum. Wir besprechen ein paar organisatorische Dinge und sobald es spruchreiferes gibt, werde ich es hier kundtun. Seit 14:00 Uhr bin ich wieder bei Irina, im Gepäck frischen Obstsalat, Schoki und Blumen von ihrer Mama. Irina geht es nach wie vor den Umständen entsprechend gut, weiterhin bisschen Übelkeit, aber keine Schmerzen. Später gibt es noch ein Arzt-Gespräch, wo wir die Wochenend-Versorgung besprechen.
Gestern Abend besuchten mich noch spontan meine Mutter mit meiner Schwester. Es floßen Tränen, vieles fühlt sich ungerecht an, aber ich teile unsere Hoffnung vom Himmel. Passend dazu wird es heute Abend in unserer Gemeinde einen Vortrag geben. Wer noch spontan kommen möchte, ist herzlich eingeladen. Es geht um 19:00 Uhr los und man muss sich nicht anmelden.
Ansonsten darf man gerne auch jederzeit Sonntags um 11:00 Uhr zum Gottesdienst kommen!
15.09.2022
18:30 Uhr: ich fahre vom Klinikum wieder nachhause. Irina macht auf mich einen stabilen Eindruck, auch wenn sie leider wieder mit Übelkeit kämpft. Das Tumorboard fand heute nicht statt, dafür konnte ich heute mit den Ärzten nochmal bisschen etwas besprechen. Dazu die Tage mehr, nur soviel, vor dem Wochenende passiert erst mal nichts mehr.
Jetzt zur Überraschung…ich habe meine Frau heute „nochmal“ geheiratet und sie hat wieder ja gesagt. Nach der Lebensübergabe zu Jesus, die beste Entscheidung die ich je getroffen habe: Um die Hand dieser bezaubernden Frau anzuhalten. Und ich würde es immer wieder tun! Ich liebe dich ❤️🔥
Zum Hintergrund der Geschichte. Bei dem Ring handelt es sich um den gleichen Ring den ich ihr am Tag der Hochzeit aufgesteckt hatte. Er war absichtlich nicht rundherum mit Steinen besetzt, denn es sollte jedes Jahr zum Hochzeitstag ein neuer Stein eingesetzt werden. Wir haben uns vor paar Wochen dazu entschieden den Ring jetzt doch schon vollständig besetzen zu lassen. Heute durfte ich ihn ihr überreichen und dieses Lächeln einfangen. Behaltet euch den Ausdruck ihrer Freude!!
Jesus ich danke dir für dieses großartige Geschenk, meine liebe Ehefrau. Ich danke dir dafür, dass du uns zusammengeschweißt und eins gemacht hast! Um keinen Preis der Welt möchte ich den Platz als Ehemann von Irina und unserer Situation gegen irgendetwas anderes eintauschen. So wie ich es vor dir, meinem Gott, versprochen habe, möchte ich für meine Frau immer da sein, auch wenn es das letzte ist was ich tue und es mich mein Leben kostet. So wie du mich geliebt hast!
„Ihr Männer, liebt eure Frauen, gleichwie auch der Christus
die Gemeinde geliebt hat und sich selbst für sie hingegeben hat“
Epheser 5, 25
13:30 Uhr: ich fahre ins Klinikum raus, im Gepäck: Hoffnung! Und eine kleine Überraschung ..
Ich möchte noch etwas über diese Hoffnung sagen und was wir von Herzen glauben. Gott ist groß und er tut auch heute noch Wunder. Gott hat alles geschaffen, die Erde, das Universum, er kennt jeden Stern mit Namen und alles lebt durch ihn. Er braucht für ein Wunder nicht mal seinen kleinen Finger und es steht außer Frage, dass er Irina mit einem einzigen Hauch heilen kann. Davon sind wir absolut überzeugt! Wir kämpfen und werden nicht aufgeben, aber nicht unser Glaube ist entscheidend, sondern das letzte Wort hat Gott. Gott ist Liebe und der Glaube an Ihn bewirkt eine unbeschreibliche Hoffnung. Dran bleiben! Ich weiß ihr kämpft mit uns!
Ihm sei alle Ehre! Wir werden nicht aufgeben!
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07:30 Uhr: Irina kämpft mit Übelkeit und sie konnte lange nicht einschlafen. Irinas Mama ist bei uns zuhause und unterstützt mich mit Naomi, mein Schlaf ist leider auch nicht besser. Ich muss heute viele Dinge erledigen, wegen der Palliativ-Versorgung und anderen Dingen. Später fahre ich wieder ins Klinikum. Es gibt noch eine Tumor-Board Konferenz und man teilt mir dann abschließend, evtl. heute, das Endergebnis nochmal mit.
14.09.2022
20:00 Uhr: Ich mach’s kurz und schmerzlos. Das MRT zeigt 4cm nachgewachsenen Tumor. Über den s.g. Balken ist der Tumor äußerst aggressiv auf den rechten Hirnlappen übergestreut. Das war’s, die Ärzte sind am Ende. Eine OP ist nicht mehr möglich und die Palliativ Versorgung wird empfohlen. Sterbebegleitung. Wir streben eine Versorgung zuhause an.
Irina nimmt es gefasst. Sie liebt Jesus, Jesus liebt sie, fürchtet euch nicht! Sie und ihr Leben gehören Jesus, das beste was ihr geschehen konnte! Sie trägt das Leid wie Jesus selbst, ohne Murren hat sie es mal wieder angenommen und folgt ihm nach, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie folgt ihrem HERRN, Er bringt sie ans Ziel!
„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir nach;
und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden in Ewigkeit nicht verlorengehen,
und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Mein Vater, der sie mir gegeben hat,
ist größer als alle, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters reißen!“
Johannes 10, 27-29
Eine wichtige Bitte habe ich. Bitte bombardiert sie nicht mit Nachrichten! Sie hat (noch) ihr Handy. Noch versteht sie etwas, und kann lesen. Aber sie wird es nicht beantworten können, auch wenn sie wollen würde. Ich kann niemanden verbieten ihr jetzt etwas zu schreiben, ich weiß ihr habt sie lieb, aber denkt bitte nach, wie viel und wie tief die Nachricht sein soll. Sie hat euch auch alle unheimlich lieb.
Ich bin ebenfalls gut versorgt, meine Stärke liegt im HERRN! Danke Bruder Joel für deine Erinnerung! Danke weiterhin an alle Geschwister für eure Gebete!
„fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott.
Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich
durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit“
Jesaja 41, 10
Maranatha
12:00 Uhr: ich erreiche eine Ärztin. Es wird jetzt leider sehr nüchtern. Die Symptomatik ist schlecht und man hat ein MRT von Oktober vorgezogen. Es stehen schwierige Behandlungsfragen bezüglich der Schädeldecke u.a. im Raum, eine Bildgebung ist daher zwingend erforderlich. Nach dem Motto: „was mutet man Irina noch zu“. Denn die Prognose weist eindeutig auf Tumor hin. Ich hätte wirklich gerne bessere Nachrichten, aber es schaut ganz duster aus.
Heute Nachmittag fahre ich rein, der Professor und Ärzte sind da, es wird hoffentlich ein aufschlussreiches Gespräch geben. Egal in welche Richtung. Wir haben schon viele wunderbare Dinge erlebt und ein Wunder bräuchte es auch diesmal.
„Gott, dein Wille geschehe“
13.09.2022
22:30 Uhr: ich möchte heute schließen mit einem Loblied, welches aus den Psalmen entstanden ist. Den Vers, den Irina mir damals mitteilte, als ich sie damals Januar 2021 hochschwanger in die Klinik fuhr und sie ab da mehrfach operiert wurde.
„Aber ich vertraue auf dich, o HERR; ich sage: Du bist mein Gott! In deiner Hand steht meine Zeit“
Psalm 31, 15-16a
Daran hat sich nichts geändert, Gott, unser HERR und Retter, in deiner Hand steht unsere Zeit. Nur dir möchten wir vertrauen, gepriesen sei dein Name!
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19:30 Uhr: Naomi schläft, ein langer Tag geht zu Ende, Feierabend. Viele teilen mir ihre Gebetsunterstützung mit, auch von Geschwistern aus unserer alten Gemeinde, was mich irgendwie besonders berührt. Gleichzeitig wird mir von verschiedenen Freunden und Seiten Unterstützung zugesagt. Danke, einfach nur Danke. Ich weiß, dass sich viele auch zurückhalten, es ist einfach unfassbar bewegend und spürbar, wieviel Rückhalt für uns da ist! Vielen Dank! Und ich bin bestens versorgt!
Jetzt zu den News..
Mehrmals werde ich am Telefon vertröstet und Rückrufe von Ärzten werden mir versprochen. Aber bis Nachmittag meldet sich leider niemand bei mir, wie immer. Ich erreiche dann eine Schwester und sie teilt mir mit, dass es Irina gut geht und dass sie duscht. Ich bin erleichtert, aber auch etwas skeptisch. Ich teile ihr mit, dass Irina vor der OP mit ihrer Zeitorientierung stark eingeschränkt war, dann versicherte man mir, dass ich doch mit Kind ins Klinikum darf. Ich fahre mit Naomi raus ins Klinikum, Blumen im Gepäck und überrasche Irina gegen 17:30 Uhr. Die Freude ist groß und die Überraschung gelungen.
Dann die Sprache ..
sie ist wie vor der OP! Nicht alles ist optimal, aber das ist erstmal nicht so wichtig. Irina hatte jetzt an der selben Stelle 10 OPs und drei davon in den letzten 8 Wochen. Ich danke Gott dafür, dass sie überhaupt reden und etwas verstehen kann! Leider teilt man mir auch mit, dass Irina wohl zwei Stunden geduscht hat… ich versuche ruhig zu bleiben .. auch ihre Brille hat Irina nicht bekommen und ich musste sie ihr erst raussuchen … naja, immerhin glauben die Schwestern mir die Störung mit der Zeit jetzt und Irina kann endlich sehen.
Wir verabschieden uns wieder und für den Moment soll’s das gewesen sein.
Es gibt noch offene Fragen und ein paar Erkenntnisse, die ich noch nicht teilen kann, denn Ärzte sehe und höre ich heute nicht .. hier könnt ihr gerne weiter für die Ärzte, aber auch für mein Herz beten, denn ich bin nach wie vor sprach-, rat- und machtlos über den Umgang mit uns. Die vermeidbaren Fehler nerven einfach enorm.
Spät Abends kommt Irinas Mutter und hilft mir hier mit Naomi. Erfahrungsgemäß habe ich dann mehr Kapazität, um die Ärzte endlich an die Strippe zu bekommen. Danke weiterhin für eure Gebte.
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07:15 Uhr: Gestern bekomme ich keine Meldung mehr, was ein gutes Zeichen ist, da man nur bei Komplikationen benachrichtigt wird. Heute Morgen erreiche ich jemand von der Neuro-Station, nächste gute Nachricht, Irina ist dort, keine Intensiv- oder Überwachungsstation. Weitere Infos gibt es nicht. Wie geht es ihr? Was ist mit ihrer Sprache und ihren kognitiven Fähigkeiten? Ich instruiere den Pfleger wegen Irinas Brille und dann heißt es weiter warten. Hoffen wir das beste!
12.09.2022
19:30 Uhr: Wie erwartet gibt es keine Option, das Implantat muss sofort entfernt werden. Sie fahren Irina in den Aufwachraum, die OP findet in den nächsten Stunden statt.
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Es ist 14:00 Uhr als ich den, erneut leicht feuchten, Verband wechsele. Und dann der Worst Case… Die Haut unter dem Verband hat sich an mehreren Stellen der Naht geöffnet und ich sehe an mindestens zwei Stellen das Schädeldecken-Implantat rausblitzen. Ich informiere meine Mutter, die Gott sei Dank Montags immer frei hat für uns, da sie uns Naomi abnehmen muss. Wir müssen sofort in die Notaufnahme. Denn wir erinnern uns zurück an Anfang Juli (s. Timeline VI, Eintrag 13.07.2022), als das das erste mal passierte. Damals erklärte man uns, dass es keine andere Wahl gibt, OP, Implantat raus, Antibiotika, 6 Wochen Pause, neues Implantat rein. Das hatten wir jetzt erst hinter uns und nun wieder vor uns. War das zu verhindern? Ist der Arzt zu hohes Risiko gegangen? Hierzu fehlen mir wirklich jegliche Worte. Wann hat der Wahnsinn ein Ende.
Sobald meine Mutter da ist, fahre ich mit Irina in die Notaufnahme. Danke für euer Gebet.
10.09.2022
sechs Stunden Notaufnahme waren es gestern Abend noch.. und das nur, um etwas unaufschiebbares abzuklären wegen Wochenende, was uns letztlich trotzdem nicht weitergeholfen hat. Bei Irina tauchen momentan einfach immer wieder mal unkontrolliert Baustellen auf, wahrscheinlich hauptursächlich wegen neurologischen Störungen, bei ansonsten symptomlosigkeit und keinerlei Schmerzen. Ein enormer Drahtseilakt, bei dem man nicht jeder Sache medizinisch „nachstöbern“ kann/soll und dennoch Vorsicht geboten ist, nicht etwas zu übersehen. Ich bin 24/7 für Irina da und sie braucht viel Unterstützung im Moment, obwohl es ihr ansonsten wirklich gut geht. Es ist nicht absehbar/erklärbar wie es gesundheitlich weiter geht. Wie ich schon sagte, könnte es jederzeit bergab gehen, keiner kann das vorhersagen. Für diesen Kraftakt ist Naomi bei meinen Eltern „Opa/Oma Wochenende“ machen und nächste Woche kommt Irinas Mutter wieder zum unterstützen. Anders geht es momentan nicht. Dazu kommt die Wundheilung am Kopf. Die Wunde sollte/müsste eigentlich dicht werden, aber auch heute ist der Verband, den ich wechseln muss, wieder feucht. Wir hoffen und beten weiter, dass die Stelle trocken wird und die dünne Haut genügend Kraft hat, um festzuwachsen.
Ich bin dennoch sehr dankbar wie Gott uns in dieser Phase leitet und uns ganz schöne Phasen der Zweisamkeit schenkt. Irina geht es v.a. innerlich, an ihrem Herzen, richtig gut und wir „Außenstehende“ müssen hier auf unsere eigenen Herzen achten. Sie ist mir hier so ein gutes Beispiel, wie man mit seinen eigenen Sorgen umgehen sollte: v.a. nicht auf andere projizieren! Sei mit Jesus, Er ist auch mit dir!
Ich erinnere mich an unsere Andacht:
„Der Herr ist mit euch“
2. Chronik 20, 17
Wenn der Herr mit mir ist, werde ich siegen im Kampf des Lebens … wie kann ich sicher wissen, dass der Herr mit mir ist? Nun, er ist mit mir, wenn ich mit Ihm bin. Wenn ich auf seine Treue baue, seinen Worten glaube und seinen Geboten gehorche, ist er ganz gewiss mit mir … Ich bin ganz gewiss, dass Gott mit mir ist, wenn Jesus mein einziger und alleiniger Heiland ist. Wenn ich meine Seele in die Hände des eingeborenen Sohnes Gottes gelegt habe, kann ich sicher sein, dass der Vater all seine Macht gebrauchen wird, mich zu bewahren, damit sein Sohn nicht entehrt werde.
Auszug aus Kleinode göttlicher Verheißungen – Charles H. Spurgeon
Der Herr ist mit uns – vor was sollen wir uns fürchten?
09.09.2022
18:00 Uhr: Die Wundkontrolle in der neurochirurgischen Ambulanz des Klinikums verlief besser als gedacht, auch wenn der Fadenzug wie erwartet schmerzhaft war. Die Wunde unter dem Verband ist reizlos, widererwartend trocken und die Haut scheint hauchdünn zusammen gewachsen zu sein. Auch der Arzt war sichtlich erleichtert, denn es war schon alles für notfallmäßiges „drüber nähen“ vorbereitet. Es sah im Vorfeld alles nach erneuter OP aus, aber es durfte jetzt auch endlich mal etwas positiv laufen! Dennoch ist es alles nicht optimal und der minimale Wundverschluss muss gut überwacht werden. D.h. ich werde alle paar Tage den Verband wechseln und kontrollieren, bis wir dann in einer Woche nochmal vorstellig werden müssen. Soweit so gut, doch dann…
…seit 18:00 Uhr sitzen wir wieder in der Notaufnahme. Nichts dramatisches, aber es muss etwas abgeklärt werden. Zwei Verse begleiten uns über den ganzen anstrengenden und noch nicht beendeten Tag:
„Wohl dem Menschen, dessen Stärke in dir (Gott) liegt, wohl denen, in deren Herzen gebahnte Wege sind! Wenn solche durch das Tal der Tränen gehen, machen sie es zu lauter Quellen, und der Frühregen bedeckt es mit Segen.“
Psalm 84, 6-7
10:00 Uhr: Wir brachten gestern Naomi zur Sicherheit zu meinen Eltern und fahren heute um 11:00 Uhr wieder ins Klinikum. Ganz dicht war die Wunde weiterhin nicht, es bleibt abzuwarten wie es unter dem Verband aussieht. Wir hoffen das beste!
07.09.2022
Eine Woche vergeht und Irinas Sprachstörung/kognitive Einschränkung hat sich leider nicht verbessert. Es bleibt abzuwarten inwieweit der Schaden durch die OP war und wiederhergestellt werden kann (Logopädie). Immerhin keine weiteren Symptome und nur selten Kopfschmerzen. Alles in allem ist die Situation ein Rückfall. Irina hat einiges an zurückgewonnener Selbstständigkeit eingebüßt und ich bin hier wieder intensiver eingebunden. Vieles „funktioniert“ (wieder) nicht mehr, insbesondere zeitliche Orientierung ist gerade eine enorme Hürde. Zum Glück und zu unserem Segen war Irinas Mama bis gestern bei uns. Absofort sind wir wieder mehr auf uns alleine gestellt und meine Mutter springt ein, sofern nötig und von der Arbeit möglich. So auch heute, denn wir fahren ins Klinikum zum Fadenzug. Wie immer ist nichts normal…
Die Wunde hatte ja bereits mal geblutet (s. Timeline VI, Eintrag vom 27.08.22) und letzte Woche musste ich den Verband einmal wechseln, wegen austretender Wundflüssigkeit. Leider „suppte“ die Wunde bis heute immer noch nach. Mittlerweile kann ich einordnen wie vorsichtig man hierbei sein muss und wie die Situation einzuschätzen ist. Leider grenzt es an einer Farce, dass ich mit diesen Hinweisen in der neurochirurgischen Ambulanz des Klinikums, um einen Termin zum Fadenzug fast schon betteln muss. Trotz den ganzen Hinweisen drängte man mich zum Hausarzt zu gehen. Ich blieb hartnäckig und nur unter Murren bekamen wir den Termin. Wie sich dann heute herausstellte, war es richtig, dass Irina nicht beim Hausarzt, sondern im Klinikum war. Denn Flüssigkeits-Austritt ist nie ein gutes Zeichen und es zeigte sich, dass die genähte Haut, an einer Stelle der Narbe nicht richtig zuwächst. Noch ist das nicht gravierend, aber es ist wie immer knifflig und die Ärzte sind hin und hergerissen. Drei Optionen bleiben: 1. Fäden ziehen und hoffen, dass die Wunde von alleine zuwächst. 2. Fäden teilweise drin lassen und hoffen, dass es doch noch zuwächst und dann muss man nochmal zu einem Fadenzug kommen. 3. Kleine OP, Wunde öffnen und wieder verschließen, um die Wundheilung von vorne beginnen zu lassen.
Ich bete für die Ärzte als wir auf ihre Entscheidung warten. Innerlich tendiere ich zu Option 2, welche schließlich auch empfohlen wird. Nachteil: in zwei Tagen müssen wir wieder kommen und die übrigen Fäden werden eingewachsen sein. Der nächste Fadenzug wird damit dann deutlich schmerzhafter sein. Sollte die Wunde bis dahin an der Stelle nicht zugewachsen sein, muss Irina wieder operiert werden … das hoffen wir natürlich nicht und so bleibt mal wieder eine starke Anspannung, die uns viel Kraft abverlangt.
Wo pendelt das alles wieder hin? Es braucht Stärke und Mut, und dazu fällt mir das Wort ein, dass mir ein Bruder zu meinem Geburtstag (vor kurzem 😉) gab:
„Habe ich dir nicht geboten, dass du stark und mutig sein sollst?
Sei unerschrocken und sei nicht verzagt;
denn der HERR, dein Gott, ist mit dir überall, wo du hingehst!“
Josua 1, 9
01.09.2022
Die Woche beginnt mit bisschen Alltag, gepaart mit mittlerweile gewohnten Schwankungen und einer langsam nach oben steigenden Stabilität. Da Irinas Mutter da ist, gehe ich mal wieder auf die Arbeit, Dienstags kommt die Haushaltshilfe und wir haben einen Termin in der Onkologie. Irina ist noch etwas eingeschränkt, aber wir schaffen auch einen Spaziergang in die Stadt. Neben längeren Schlafphasen die zum Glück wieder weniger werden, hat Irina Gott sei Dank keine Schmerzen oder andere Symptome. Sie ist allerdings noch sehr eingeschränkt in ihrer Kommunikation, da sie von außen sehr schnell abgelenkt ist, wodurch ihr dann der Zugriff auf die Sprache schwer fällt. Aktuell ist Urlaub bedingt Pause von Logopädie und wenn es wieder losgeht, hoffen wir auch hier wieder auf Besserung mit der Sprache. Körperlich ist Irina ansonsten erstaunlich fit!
Einige Leser sind neu, andere haben nur Fragen zum Stand der Dinge. Deswegen fasse ich hier zu Beginn mal ein paar Dauerfragen zusammen:
Tumor & Prognose:
Seit Januar unverändertes Bild, Millimeter kleiner Tumorrand im inoperablen Balkenbereich, wobei schneller Wachstum erwartet wird und die Medizin am Ende ist. Jederzeit kann der Gesundheits-Zustand kippen, wobei man dann nur noch palliativ agieren kann. Aber! Wir haben September! Was ist also schnell? Entgegen dieser Prognose ist bei aktuellem Zustand durchaus Hoffnung erlaubt.
Vergangene OP und Aussicht:
Die Einsetzung des Schädeldecken-Implantats verlief reibungslos. In einer Woche ist Fadenzug, wobei man die Wundheilung betrachten und abschätzen kann. Irina nimmt seit Entlassung kaum Schmerzmittel und auch sonst sind ausnahmsweise mal keine weiteren Baustellen aufgetreten. Sie ist und bleibt eine Kämpferin! Am 07.10.2022 soll ein weiteres MRT stattfinden.
Therapie:
Aktuell ist die Immuntherapie unterbrochen und darf wegen der Wundheilung im Moment auch nicht fortgesetzt werden. Eine Chemotherapie hat bisher keine Wirkung gezeigt und seitdem keine mehr verabreicht wird, ist lediglich dieser Rand gewachsen. Seitdem wir Off-Label fahren, erleben wir das erste mal Stabilität. Die Immuntherapie wird aller Voraussicht nach deshalb fortgesetzt, sobald es Irinas Zustand zulässt. Wir haben hier immer für eine klare Führung gebetet und spätestens als die Onkologin diese Woche den Satz sagte: „Es ist ein Wunder, dass wir diese Therapie von der Krankenkasse damals überhaupt genehmigt bekommen haben.“, sehen wir, dass Gott in Kontrolle ist.
Versorgung:
Aktuell kommt einmal die Woche unsere Haushaltshilfe, die über Pflegeversicherung finanziert wird. Eine umfänglichere (nötige) Lösung hat die Krankenkasse verwehrt und es läuft hiergegen seit Anfang des Jahres ein Widerspruchsverfahren. Aussicht auf Erfolg, eher schlecht. Gleichzeitig versucht die Krankenkasse Irina aus dem Krankengeld in die Frührente zu drücken. Auch hier wehren wir uns aktuell rechtlich dagegen, es bleibt abzuwarten mit welchem Erfolg. Für den Worst case haben wir Kontakt über den Personalrat meiner Arbeit zu Krebsstiftungen und anderen Nothilfen. Falls jetzt jemand den Drang verspürt finanziell helfen zu wollen, es ist noch zu früh! Wir sind dankbar über solche Angebote und es wird vielleicht Phasen geben, in denen es dann mehr Sinn machen könnte, aber im Moment sind wir wirklich gut aufgestellt!
Meine Arbeit:
Nach wie vor bin ich Teilzeit/Elternzeit auf 50% und hierzu im Homeoffice. Eine von ganz oben abgesegnete Ausnahme oder wie ich sage: eine von noch weiter oben geschenkte Segnung! Durch die Unterstützung beider Elternteile schaffe ich es auch regelmäßiger in Präsenz auf die Arbeit zu kommen.
Naomi:
19 Monate, läuft, babbelt, kerngesund, hält uns auf Trab und ist unser Sonnenschein! Mit Unterstützung der Familie, insbesondere durch die Omas, bekommen wir eine wunderbare Versorgung hin und Naomi entwickelt sich super! Kein Hort, keine Kita, keine Diskussion. Grundsätzlich war das nie der Plan und es gibt in unserer Situation zig Argumente dagegen. Solange Irina ihre Tochter adäquat sehen kann, versuchen wir weiter die Betreuung zuhause zu meistern. Wir sind eine Familie und Gott überfordert uns nicht.
„Es hat euch bisher nur menschliche Versuchung betroffen. Gott aber ist treu;
er wird nicht zulassen, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet,
sondern er wird zugleich mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen,
sodass ihr sie ertragen könnt.“
1. Korinther 10, 13
Wie man sieht ist bei uns immer was los und ihr dürft die Zusammenfassung als Gebetsanliegen sehen. Wie immer helft ihr uns am meisten mit Gebet! Vielen Dank dafür und Gottes Segen!