Die Erleuchtung
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Der Beitrag könnte auch heißen, wie ich zum Glauben fand. Aber hierzu hätte ich mich auch irgendwie auf der Suche nach Gott befinden müssen. Dem war aber nicht so und so musste Gott mich finden – mitten untertags in der Stadt an einer Fußgängerampel.
Bis zu meinem 32. Lebensjahr hatte ich ein vages Bild von Gott, das noch aus meiner Zeit in der evangelischen Kirche stammte, welche ich jedoch nach der Konfirmation verlies. Die Kirche war für mich irgendwie ein Ort für Fromme oder Erwachsene. Man ging hin oder eben nicht. So ging ich nur noch aus Pflichtbewusstsein an Weihnachten mit meinen Eltern in den Gottesdienst. Letztenendes aus Scheinheiligkeit.
Mein Gottesbild sah ungefähr so aus und ich denke viele haben oder hatten ein ähnliches Bild: Gott ist ein Wesen außerhalb dieser Welt, also im Himmel irgendwo, und er beobachtet unser Leben. Er hat uns ein paar Gebote gegeben und wir sollten schauen, dass wir uns dran halten. Wenn du möchtest oder Nöte hast, kannst du zu ihm beten. Alles in allem ein weit entfernter Gott, der dich unbarmherzig beobachtet, denn wenn du dich nicht richtig verhältst, bist du bei ihm raus. Die wichtigste Komponente bei Gott fehlte in meinem Bild – nämlich die der Beziehung.
So wandelte ich also in der Welt mit einem unnahbaren Gott – bis zu dem Tag an der Ampel.
Es war natürlich schon einiges passiert in meinem Leben und ich war bereits seit knapp 1 1/2 Jahren mit Irina in einer Partnerschaft. Wieso musste ich eigentlich gerade jetzt an Gott denken? Nun ich befand mich in einer Not, denn Irina und ich hatten Eifersuchtsprobleme und ich befürchtete ein größeres Beziehungsproblem – wäre nicht mein erstes gewesen. So hielt ich es für sinnvoll mich in meiner Not an Gott zu wenden, mit einem Gebet. Bis dato sprach ich sehr selten ein persönliches Gebet, ich sagte nur am Abend regelmäßig das Vater unser auf. Aber an der Ampel sollte es das erste mal unerwartet persönlich werden. Wer betet schon an einer Ampel?
Ich befand mich auf dem Nachhauseweg und mich plagten eben diese Eifersuchtsgedanken. Ich dachte viel über Liebe im Allgemeinen nach, aber auch konkret über meine Beziehung mit Irina. Hinzu kamen auch Verlustängste, ich war schließlich ernsthaft verliebt, aber ich merkte irgendwas läuft schief. Ich dachte auch an heiraten, diesmal ist es wirklich die perfekte Frau! Diesmal? Ja, ich war schon mal verheiratet und nach einer kurzen Zeit wurde diese Ehe wieder geschieden. Da war nun das Dilemma: ich hatte ein Gebot gebrochen und rauschte wieder in eine ähnliche Situation. Ich kam gar nicht drum herum diese Gedanken mit Gott in Verbindung zu bringen, schließlich wurde ich damals ja auch in einer Kirche getraut und habe Sätze gesagt wie: „bis dass der Tod euch scheidet“ …. Ich hatte hier etwas vor Gott versprochen und bin katastrophal gescheitert. Nun überfiel mich ein neuer Gedanke. Was machte mich damals eigentlich so sicher, dass ich heiratete und das berühmte L-Wort sagte? Und was macht mich heute bei Irina da so sicher, dass ich sie auch wieder heiraten würde? Würde Gott überhaupt nochmal einer Ehe zustimmen?
Plötzlich musste ich mir zwei essenzielle Sachen eingestehen: ich wusste überhaupt nicht was Liebe ist und ich wusste auch überhaupt nicht wer Gott ist.
Zum ersten mal in meinem Leben kam ich mir absolut verloren vor. Ich fühlte mich wie ein Lügner, der sich gut in Selbstlügen durchgemogelt hatte. Wie oft habe ich schon das L-Wort missbraucht? Ich brauchte jetzt Klarheit! Ich merkte, dass ich ziemliche Gefahr lief Irina zu verletzen und gleichzeitig drohte mein Leben gegen die Wand zu fahren. Mir war etwas bammelig, aber ich dachte nur: Wenn es Gott gibt, dann? Ja was ist dann? Dieser Gedanke bereitete mir echt große Sorge, aber ich merkte ich komme in dieser entscheidenden Lebensfrage nicht weiter.
So fasste ich, etwas unbeholfen, den besten Entschluss meines Lebens, nämlich Gott einfach zu fragen. Ich stand an besagter Fußgängerampel und sprach sinngemäß folgendes Gebet:
„Gott, ich habe schon so oft zu Menschen ich liebe dich gesagt und muss eingestehen, dass ich überhaupt keine Ahnung habe was Liebe eigentlich ist. Du weißt genau so gut wie ich, dass ich damit echt ziemlichen Schaden angerichtet habe. Und jetzt stehe ich hier und möchte einer Frau wiedermal, ich liebe dich, sagen. Gott ich befürchte ich mache damit alles nur noch schlimmer. Wenn es dich wirklich gibt, zeig mir bitte was die Liebe ist.“ Amen.
Was jetzt geschah, ist kaum in Worte zu fassen. Es fühlte sich kurz so an, als würde die Zeit plötzlich stehen bleiben und eine tiefe Liebe in mich eindringen. Das verrückte dabei war aber, es war kein Gefühl, ich spürte in dem Moment absolut gar nichts. Genauso wenig kann ich diese Zeitlosigkeit besser beschreiben. Gefühlt stand ich eine längere Zeit dort, aber ich hatte ja nicht auf die Uhr geschaut. Es war wie ein kleiner Blackout nachdem ich wieder zu mir kam, bloß dass es definitiv kein Blackout war. Ich war völlig tief mit Liebe erfüllt und das beste, alle meine Fragen waren geklärt. Die Frage nach der Liebe und Gott wurde simpel geklärt:
Gott ist die Liebe!
Ich war völlig euphorisch! Gott ist real! Ich wollte ab diesem Moment nichts anderes mehr, als ihn näher kennen lernen! Und so begann das Kapitel meines Lebens von Neuem.
Das schönste an der Begegnung mit Gott für mich war, dass er mir den Mut gab ein ehrliches Gespräch mit Irina zu führen. Ich musste reinen Tisch machen, keine Lügen mehr! Ich lief schnell nachhause und suchte gleich das Gespräch. Hier geschah das erste Wunder für mich, denn einen kurzen Moment dachte ich auch sie könnte mich für verrückt halten. Aber es kam besser… sie fing an zu weinen und war völlig ergriffen. Ich verstand zunächst nur Bahnhof und war etwas überfordert. Dann die Erklärung. Sie hatte einige Tage zuvor einen ähnlichen Entschluss gefasst wie ich. Sie war genau wie ich sehr von Eifersucht und Verlustängsten geplagt. Sie merkte, dass sie mich liebte, aber irgendetwas fehlte. Sie kam nicht mehr weiter und betete ebenfalls zu Gott.
So führte Gott uns beide zu sich. Wir durften beide erkennen, dass er die Liebe ist und dass wir ihn brauchen um überhaupt ansatzweise eine gute Beziehung zu führen. So begann für uns beide eine völlig neue Liebesbeziehung und wir würden unter gar keinen Umständen wieder wie vorher leben wollen. Diese Liebe ist einzigartig und völlig ungezwungen. So formte Er uns auch zu dem Paar, dass mit völliger Überzeugung sagen kann: Diese Liebe trägt wirklich in Guten wie in schlechten Zeiten. In Letzteren stecken wir gerade und ohne seine Liebe wären wir völlig verloren.
„Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt,
der bleibt in Gott und Gott in ihm.“
1. Johannes 4, 16
Gott ist die Liebe und er ist nur ein Gebet von dir entfernt!
Noch ein Gedanke:
Diese Ampel. Es war sinnbildlich für mein Leben ohne Gott. Jeder weiß ja, dass man bei Rot stehen bleiben muss, irgendwann springt es auf Grün und dann kann man seinen Weg fortsetzen. Und wie oft bin ich trotzdem über Rot gelaufen? Kurz ein schlechtes Gewissen, aber nicht so schlimm, einfach ignorieren …
Wie oft hat in meinem Leben die Signalfarbe Rot schon geleuchtet und ich bin einfach weitergelaufen? Heute sehe ich viele Dinge reflektierter und denke, dass Gott mir in der Vergangenheit schon sehr oft die Ampel auf Rot gestellt hat und rief: Stop! Rot! Nicht weitergehen! Vorsicht! Aber es war mir egal und ich hörte nicht hin. Heute steht die Ampel auch noch oft auf Rot. Meistens kann ich anhalten, schaue auf Gott und warte bis es Grün wird. Und das ist wirklich eine Bereicherung.
So konnte ich an dieser meiner persönlichen Ampel endlich anhalten, Gott erkennen und zuhören wie er sagte: Grün! Lebe! Glaube! Liebe!