Naomi
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Wie fast bei allen werdenden Eltern, hatten wir in der Schwangerschaft viel Freude dabei uns einen Namen für unser Kind zu überlegen. Und wie bereits viele vermuteten, sollte es ein biblischer Name werden. Wieso eigentlich ein biblischer Name? Einerseits fanden wir es einfach schön, dass mit dem Namen automatisch eine Verbindung zum Glauben, zur Bibel und der damit verbundenen Person hergestellt wird. Denn die meisten Personen in der Bibel spiegeln gleichzeitig einen Charakter wieder oder legen bestimmte Tugenden an den Tag. Andererseits gefiel uns auch der Gedanke, dass die Sprache der damaligen Zeit, das Hebräische, eine sehr lebhafte Sprache war und so hinter jedem Namen auch eine Bedeutung steckte. Nun galt es bei der Wahl auch die heutige Zeit zu berücksichtigen und ein bisschen darauf zu achten, ganz pragmatisch, dass die Deutschen den Namen auch aussprechen können.
So begann die Suche und wir wurden schnell fündig, aber wir verwarfen den ersten Namen nochmal, es passte nicht alles zusammen (der Name bleibt trotzdem geheim). In meiner Gebetszeit wurde ich dann an unseren allerersten Bibelpodcast erinnert. Irina und ich hatten uns zu Anfang unserer Glaubenszeit den Podcast „Bibletunes“ heruntergeladen und die erste Serie die ich mir anhörte war über das Buch „Ruth“. Das Buch Ruth ist relativ weit am Anfang der Bibel im Alten Testament und neben dem Buch „Esther“ das einzige Buch mit einem Frauennamen. Neben der Hauptdarstellerin Ruth tritt hier eine weitere weibliche Hauptfigur auf – Naomi. In einigen Übersetzungen wird auch Naemi oder Noomi verwendet, aber Naomi klang für uns am schönsten. Die Bedeutungen des Namens sind „die Liebliche“ oder „Gott ist Lieblichkeit“.
Unsere pragmatischen Punkte waren also schonmal erfüllt, gleichzeitig fand ich den Gedanken sehr schön, dass wir durch den Namen immer an unsere Anfangszeit im Glauben erinnert würden. Nun sollten wir noch den Charakter von Naomi etwas ansehen, dazu lohnt es sich natürlich das Buch Ruth einfach selbst mal zu lesen. Es ist mit vier Kapiteln auch relativ überschaubar und ich fasse zusammen was uns am meisten angesprochen hat:
Zunächst Naomis Umkehr. Naomi war gläubig und ihr Mann wanderte mit der Familie in ein gottesfeindliches Land (Moab) aus wegen einer Hungersnot. In Moab verlor sie schließlich ihre komplette Familie, erst starb ihr Mann und später ihre beiden Söhne (ähnlich wie bei Hiob). Ihre beiden Söhne hatten sich zuvor moabitische Frauen genommen u.a. die Ruth. Eine Witwe zur damaligen Zeit hatte es echt nicht leicht und Naomi entschied sich wieder zurück in ihre Heimat zu reisen. Ruth begleitete sie damals und diese Schritte sollten für beide zum Segen werden.
Für uns ist hier sinnbildlich die Umkehr präsent, die wir selbst in unserem Leben erfahren durften. Denn Naomi wendet sich ab von einem gottlosen Volk, den Moabitern, hin zu Gott, mit ihrer Rückreise zum Volk Gottes. Dieser Schritt sollte sich als ihre Rettung erweisen, denn ihre Schwiegertochter Ruth reiste mit ihr und heiratete einen Verwandten der Naomi. Somit konnte für Naomi die Versorgung im Alter gewährleistet werden, was zur damaligen Zeit überlebenswichtig war. Mich persönlich sprach dann der Vers 16 in Kapitel 4 an:
„Und Naomi nahm das Kind und legte es in ihren Schoß und wurde seine Pflegerin“
Das Kind in Naomis Schoß war der Sohn der Ruth, somit Naomis Enkelkind. Für mich drückt der Vers Hingabe und Sicherheit aus. Ein Kind braucht volle Hingabe und Sicherheit, das kann eine Pflegerin bieten und das wollte Naomi ihrer treuen Schwiegertochter Ruth und letztlich Gott als Dank für seinen Segen, zurückgeben. Bei einer Auslegung las ich, dass man den Begriff Pflegerin, auch als Wächter definieren kann. Naomi nahm also die Stellung der Oma sehr ernst und wollte wohl sehr gut auf den Enkel aufpassen. Wir waren mit der Namensuche also fertig – Naomi – der Name blieb bis zur Geburt geheim und die Umkehr, so wie der Vers, sollten ab dem Tag der Geburt plötzlich erstaunlich präsent werden.
Der 25.01.2021 – Naomis Geburt – 12:26 Uhr, 2600g und 47,5cm. Ein nicht ganz ungefährlicher Kaiserschnitt, auf Grund einer Hirn Einblutung bei Irina. Gott sei Dank verlief alles ohne Komplikationen.
Man gab mir nach der Geburt, Naomi in den Schoß und ich war alleine, Irina wurde abtransportiert. Da war sie also unsere kleine Tochter Naomi. Die Vatergefühle die sich sofort spürbar machten, überwältigten mich. Ich streichelte sie, dann viel mir der Vers plötzlich wieder ein:
„Und Naomi nahm das Kind und legte es in ihren Schoß und wurde seine Pflegerin“
Dieser Vers ergriff mich und ich fing an zu weinen. Naomi die Witwe, sie war völlig alleine. Was ist wenn ich Witwer werde? Ich erinnerte mich an die Hingabe, die Sicherheit die Naomi ihrem Enkel geben wollte und den Segen den Gott ihr schenkte, weil sie sich zu Ihm ausrichtete. Naomi – Gott ist Lieblichkeit – ein gottesfürchtiger Wächter ist nötig – ich spürte ein unfassbares Verantwortungsgefühl und bekam einen inneren Mut. Plötzlich kam mir noch ein Bibelvers wo Jesus sagt:
„Mein Joch ist sanft, meine Last ist leicht.“
Matthäus 11, 30
Die Last, die Umstände und schlimme Gedanken die mich plagten, mit einem Vers dahin. Ich spürte, dass ich diese Verantwortung annehmen will und mit Gottes Hilfe, egal was kommt, zum Segen gelangen werde. Dieser Vers steht seither sinnbildlich für die Geburt unserer Tochter. Last? Joch? Mit unserer Tochter wurden sehr viele Dinge recht simpel, weil sie einfach die Ruhe weg hat. Sie hat heute von mir sinnbildlich den Beinamen bekommen: die Entspannte. Dieser Vers ist für mich in unserer Situation, erlebte Wahrheit geworden.
Zum Witwer wurde ich Gott sei Dank nicht und Irina überstand alle weiteren Operations-Strapazen und durfte ihre Tochter auch endlich herzen. Es war wirklich ein wunderbares Gefühl endlich wieder vereint zu sein und diesmal als Familie.
Nun folgten mehrere Wochen Krankenhaus Aufenthalt wegen Irinas OP (s. Timeline Januar/Februar 2021). Die Präsenz des Verses habe ich bereits erklärt, aber was war mit der Umkehr? In der Timeline habe ich erwähnt, dass wir im Krankenhaus den Entschluss gefasst hatten aus der Gemeinde der Baptisten auszutreten. Nun, ein geistliches Zuhause zu verlassen, sollte gut überlegt sein und es gibt nicht besonders viele Gründe so etwas zu tun. Ich kann nicht auf alle Punkte hier eingehen, aber ich will es mit der Umkehr der Naomi aus dem Buch Ruth andeuten. Denn an diese Umkehr musste ich denken, als ich letztendlich den Entschluss des Austritts fasste.
Naomi befand sich mehrere Jahre (10 Jahre) in dem gottlosen Land Moab. Ihre Beziehung zu Gott muss zwangsläufig unter dieser strukturellen Situation gelitten haben. Ihre Nächsten waren bereits verstorben, sie konnte also mit niemandem so wirklich ihren Glauben teilen. Vielleicht hat sie es versucht, wer weiß, aber sie muss sich unverstanden gefühlt haben. Diese Moabiter waren Feinde Gottes, sie führten später in der Geschichte mehrfach Krieg gegen das Volk Israel. Naomi musste irgendwann eingestehen, egal wie sehr sie selbst vorbildlich gläubig wandeln würde, hier ist sie am falschen Ort. Auch wenn sie vielleicht viele Freunde dort gefunden hat, immerhin war sie 10 Jahre dort, fasste sie den für sie wichtigen Entschluss zurück in die Heimat zu gehen. Zurück zu dem Volk, das Gott ehrte. Sie wusste nicht genau was sie erwartet und was passieren wird, ja sie war sogar in einer Glaubenskrise. Aber diese Umkehr sollte sich als Segen herausstellen, denn letztendlich zeigte sie Gottesfurcht und wandte sich ab von Moab hin zu ihrem Erlöser.
Wir befanden uns bei den Baptisten mit Sicherheit nicht in Moab, aber nach 3 Jahren dennoch an einem Punkt, wo wir uns nicht mehr im Glauben geeint sahen. Wir fühlten uns in sehr vielen Bereichen vollkommen unverstanden und konnten das mit unserer Gottesbeziehung nicht mehr vereinbaren. Wir hatten viele Freunde dort und es war keine einfache Entscheidung. Letztendlich hatten wir aber auch bereits seit über einem Jahr eine neue Gemeinde gesucht und vielleicht brauchte es genau diesen Anstoß mit Irinas Krankheit. Am Ende war es ein Vertrauensakt gegenüber Gott und ich befahl Ihm unseren Weg an. Es war nicht alles greifbar was schief lief bei den Baptisten, aber ich wusste es ist ungehorsam gegenüber Gott dort zu bleiben. Wir hofften einfach, dass Er uns in die Heimat, also eine neue Gemeinde, führt. Es war eine harte Entscheidung und ich habe wirklich gerungen, aber es sollte sich als die richtige herausstellen. Wie ich bereits in der Timeline bezeugt habe, hat uns Gott in eine treue Gemeinde und damit in ein neues Zuhause geführt. Der Segen traf ein wie bei Naomi.
Bis heute sind die Gründe des Austritts nicht ausführlich aufgearbeitet worden. Letzten Endes muss jeder selbst prüfen, ob er am richtigen Ort ist und eine gottesfürchtige Entscheidung treffen. Gott führt einen definitiv auf den richtigen Weg. Wir wollen hier auch nicht „nachtreten“ ganz im Gegenteil, wir durften sehr viel lernen in der Zeit bei den Baptisten und wir sind dankbar für die Zeit dort. Aber ich wurde oft gefragt, ob ich nicht etwas dazu sagen kann. Viele Dinge kann und will ich hier natürlich auch aus Respekt voreinander nicht ansprechen und sie gehören auch nicht an die Öffentlichkeit. Vielleicht lässt die Umkehr der Naomi folgende Schlussfolgerung zu: wir haben eine Zeit lang unheilige Strukturen erlebt und mussten einfach davon weg, zurück zur ersten Liebe. In unseren Augen hat Gott unseren Gehorsam Ihm gegenüber gesegnet.
Wir sagen mit Sicherheit nicht, dass diese Gemeinde „falsch“ ist, aber empfehlen können wir sie natürlich auch nicht. Was wir machen können, und das hat uns auch geholfen, ist drauf hinzuweisen was für Kriterien für eine gesunde Gemeinde sprechen. Hier kann sich jeder Interessierte einfach mal durchklicken und sich oder seine Gemeinde selbst prüfen. Worauf kommt es bei der Wahl einer Gemeinde an?
Was bleibt übrig:
Wiedermal zeigt sich wie bei Hiob, dass das Leben Gläubiger nicht einfach ist. Aber es zeigt auch auf wie Gläubige mit harten Schicksalsschlägen umgehen: sie wenden sich an ihren treuen Gott.
Abschließend noch folgender Hinweis: das Enkelkind der Naomi ist ein direkter Vorfahre in der Blutslinie des Messias, unserem Heiland, dem Herrn Jesus Christus. Jesus seine Vorfahren waren weder alle heilig, noch völlig fehlerfrei und hatten es bei weitem nicht besonders einfach in ihrem Leben. Aber die Umkehr hat es erst ermöglicht, dass der Same seiner Abstammung fortgepflanzt wurde. Soll heißen, jeder kann zu Ihm umkehren, egal in welcher Gemeinde du bist, ob du eine schwere Krankheit hast, wieviel Erfahrung du hast oder welcher Abstammung du bist. Umkehr führt zu Segen.
„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid;
ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir;
denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“
Matthäus 11, 28-30