Oktober 2022

29.10.2022

Wie nutzten wir gestern nun noch unsere Zeit für andere? Hierzu möchte ich kurz etwas vorgreifen:

Als wir gläubig wurden, hatten wir es plötzlich auf dem Herzen uns für Bedürftige und Menschen ohne Stimme einzusetzen. So nahmen wir 2019, ca. 3 Monate nach der ersten Tumorentfernung bei Irina, an dem Walk for Freedom teil. Ein Schweige- und Protestmarsch gegen sexuelle Ausbeutung von Menschen und Zwangsprostitution. Hierbei gingen wir an einem dunkelhäutigen Obdachlosen vorbei, der Irina ansprach, wofür wir da laufen. Und wie sie halt ist, forderte sie ihn einfach auf mitzulaufen. Er fand das amüsant und wir kamen seither öfter ins Gespräch. Wie der ein oder andere schon weiß, rede ich von „Doc“, ein gestrandeter Amerikaner von der Straße. Januar 2021 nach Naomis Geburt, als bei Irina gesundheitlich alles immer schlimmer wurde, kannten wir „Doc“ schon zwei Jahre und ich besuchte ihn öfter bei meinen Babyspaziergängen. Er hörte mir zu, ich hörte ihm zu. So lernte ich immer mehr die Straße von einer anderen Seite kennen und nach einiger Zeit merkte ich einfach, dass ich den Menschen dort etwas Gutes tun möchte. So nahm ich auf meine Spaziergänge immer wieder meine Bibel, etwas mehr als Almosen und andere Dinge zum verteilen mit. So hatte ich immer wieder sehr schöne Gespräche über Gott und den Glauben, mit sehr interessanten, aber auch wirklich abgestürzten Menschen. Ich bemerkte wie mir mein Beruf hier sehr hilfreich ist, da ich als Polizist die Straße durchaus kenne. Ich weiß einzuschätzen wer dubios oder völlig drauf ist, kenne die Sprache der Straße und von welchen Personen/Orten man sich lieber fernhält. Ich erzählte Irina immer von meinen etwas anderen Spaziergängen und meine Freude schien auf sie überzuspringen. Damals konnte sie kein Wort sprechen und 2021 war das absolute Horror-Jahr. Aber innerlich wuchs in ihr der Wunsch mit mir gemeinsam für die Menschen etwas Gutes tun zu wollen. Ihre Sprache kehrte ja erst Anfang des Jahres 2022 zurück und dann war es soweit, sie war fit genug und wollte mit! Damals (April 2022) überlegte ich kurz was wir machen könnten und wir entschieden uns Sandwiches zu machen. Gesagt, getan, wir packten die warmen Toasts ein, zogen los und verteilten einfach. Die schönste Begegnung die wir damals hatten, war mit einer jungen Drogenabhängigen, mit der ich früher schon ein paar mal gesprochen hatte. Sie weinte, da man ihr über Nacht den Rucksack gestohlen hatte. Leider keine Seltenheit und oft ist das für einen Menschen von der Straße das schlimmste was ihm passieren kann. Neben Hab und Gut, verlieren sie durch den Diebstahl meistens auch für sie wichtige persönliche Gegenstände. So auch in diesem Fall und ich staunte nicht schlecht, als sie uns sagte welchen Gegenstand sie am meisten vermisste: ihre Bibel. Gott sei Dank hatte ich eine Bibel zum verteilen dabei, die sie überglücklich entgegen nahm. Neben Sandwiches, besorgten wir ihr noch die nötigsten Sachen, damit sie erstmal über die Runden kommen konnte. So hat der HERR uns zusammen eingesetzt und wir hatten eine richtige Freude an unserer Sandwich-Aktion.

„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit,
so wird euch das alles zufallen“
Matthäus 6, 33

Es gäbe noch viel mehr zu erzählen, aber die Vorgeschichte sollte nur als Überleitung dienen, damit man besser versteht warum wir gestern erneut mit Sandwiches und Bibeln bewaffnet auf die Straße gingen. Wo wir auch „Doc“ wieder trafen.Irina hat diesen Tag sehr genossen und Gott hat uns Gnade und Kraft dafür geschenkt. Ihm sei alle Ehre dafür!

 

„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden
bei den Menschen seines Wohlgefallens“
Lukas 2, 14

28.10.2022

08:00 Uhr: Die Logopädie machte Irina erstaunlich viel Spaß, auch wenn es gerade sehr anstrengend für sie ist. Das freut nicht nur unsere Logopädin! Trotz enormer Spracheinschränkung kommuniziert Irina einfach mehr durch Mimik und Gestik. Weiterhin ist ihr Zustand seit dem Anfall unvorstellbar stabil und wir erleben gerade wieder eine schöne Zeit als Familie und auch Zeit der Zweisamkeit als Ehepaar. Darüber sind wir sehr dankbar und auch darüber, dass Naomis Rotznase sowohl Irina, als auch ihre Mutter (die aktuell dauerhaft da ist) verschont hat.

Die Tage waren wir viel draußen die Sonne genießen und am Donnerstag ging es mal wieder in den Zoo mit einer guten Freundin. Zur Freude von Naomi, die ein paar affige Freundschaftsanfragen bekam.

Die Woche stand im Zeichen der Erholung und Naomi wird ab heute bis Montag wieder bei meinen Eltern sein und den Rest ihrer Rotznase auskurieren. Die Stabilität und das besuchsfreie Wochenende beschert uns freie Zeit die wir nutzen wollen …

… v.a. für Andere …

to be continued ..

26.10.2022

12:00 Uhr: Am Montag kam nachmittags doch noch die SAPV um sich ein Bild zu machen. Insbesondere die Schwellung am Kopf (bei der fehlenden Schädeldecke) musste der Arzt vor Ort kontrollieren. Es scheint aber alles in Ordnung zu sein. Am späten Nachmittag brachte meine Mutter Naomi wieder zurück, leider weiterhin mit Rotznase. Fast gleichzeitig bekamen wir noch Besuch von einem befreundeten Pärchen.

Gestern nutzten wir das schöne Wetter für Balkonien und gingen abends noch spazieren. Frische Luft tut allen gut!

Heute kam eine kleine Überraschungsbox hier an, über die wir uns sehr freuten. Eine Schwester schickte uns leckere Lebkuchen aus der eigenen Familien Manufaktur.

Vielen lieben Dank! Normalerweise bestellen wir jedes Jahr und auch wenn die Manufaktur nicht auf Werbung angewiesen ist ..
www.weissenburger-lebkuchen.de .. wirklich ein Genuss!

Heute und morgen findet Logopädie statt. Je nach Verfassung und Wetter gehen wir mehr raus. Irina ist zwar schwächer und leider kognitiv wieder stärker eingeschränkt, aber draußen sein als Familie und mit Freunden treffen, tut ihr sehr gut.

24.10.2022

08:00 Uhr: Das Wochenende war etwas instabiler und die Formkurve von Irina senkt sich (mal wieder) leicht nach unten. Am Samstag brachte sie das einen halben Tag ins Bett mit unerklärbaren Bauchschmerzen. Abends konnte sie sich nochmal aufraffen und die Bauchweh waren wieder weg. So kam dann doch noch eine gute Freundin vorbei, die wir lange nicht mehr gesehen hatten und der Abend verlief sehr schön. Gestern wachte Irina auch wieder schlapper auf und so ging ich lieber alleine in die Gemeinde. Naomis Schnupfnase hat uns zudem fast eine Nacht Schlaf gekostet, weshalb meine Mutter einsprang und Naomi zu sich und über Nacht mitnahm. Der gestrige Tag verlief dann entsprechend mit viel Entspannung und Irinas Mama bereitete mit Irina Kürbis zu. Für die Regeneration gingen wir dann früh ins Bett und schlafen gut durch.

Die Woche beginnt vorsichtig angespannt. Es bleibt abzuwarten, wie und ob sich Irinas Formkurve wieder einpendelt. Immerhin hat sie keine Schmerzen oder andere heftigere Symptome .. und was viel wichtiger ist, in ihrem Herzen regiert ein unbändiger Frieden. Sie weiß auch was die Formkurven bedeuten, die sie wieder mehr in den Rollstuhl bringen und ihre kognitiven Fähigkeiten wegrauben. Aber sie hat hierüber noch nie auch nur eine Träne vergossen oder auch nur einmal gejammert. Und wenn einer dürfte dann ja wohl sie! Aber das ist nicht der Punkt, sondern der Punkt ist der, dass das nicht aus eigener Kraft möglich ist. Das ist nur durch Gottes Kraft an ihrem Herzen möglich und das ist der Friede Gottes der jeden Verstand übersteigt. Das ist Gewissheit über das Heil, das es nur bei Jesus gibt. Er hat alles für sie getragen, nicht nur für sie, sondern für jeden Menschen, und er ist ihr Hirte.

Einst sehnten wir uns nach Heilung und erinnert euch daran, wie Irina das aus eigener Kraft glauben wollte. Wir wurden hier sehr negativ beeinflusst und irrten umher wie Schafe. Aber seid wir uns von den unheiligen Dingen abgewandt haben und zum wahren Herrn Jesus umgekehrt sind, regiert nur noch seine Gnade und der Friede über echte Heilung. Heilung am Herzen!

„Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe;
aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.“
2. Petrus 2, 24b und 25

„Und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt,
wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus!“
Philipper 4, 7

22.10.2022

12:00 Uhr: Der Besuch der SAPV am Donnerstag lief für gewöhnlich professionell ab. Wir besprechen Situations angepasste Medikamenten-Gabe und Dosierungen, dann wird der Fadenrest begutachtet. Wie immer etwas sonderbar, denn es ist kein Rest von der äußeren Naht, sondern ein Stück von der inneren Naht. Ohne das chirurgisch zu vertiefen, es hat sich ein Stück Faden von der unteren Naht nach „draußen“ gedrückt. Der Arzt konnte das Stück kürzen, alles etwas a-typisch, aber die beste Lösung und tatsächlich alles in allem relativ ungefährlich für Irina. Die Wunde am Kopf sieht an sich sonst recht gut aus, muss aber weiter richtig zu heilen. So entlässt uns die SAPV ins Wochenende. Naomi hat sich leider eine kleine Schnufnase eingefangen und wir verbringen mehr Zeit daheim im Warmen. Gestern bekamen wir Besuch von Freunden mit neugeborenem Baby und hatten gute Zeit zusammen.

Wir hatten eine intensive Woche mit tollen Eindrücken und einer erstaunlichen Stabilität. Auch wenn wir darüber sehr dankbar sind, nimmt Irinas Kraft seit zwei Tagen wieder etwas ab. Wir sind natürlich äußerst vorsichtig mit irgendwelchen Prognosen und bleiben weiter im Gebet verbunden.

20.10.2022

07:30 Uhr: Die Stabilität hält weiter an und wir nutzen die Tage intensiv. Am Montag fahren wir an den Kuhsee die Nachmittags-Sonne genießen. Eine Schwester aus der Gemeinde kommt mit ihrer Kleinen mit und die Mädls spielen auf dem Spielplatz. Dienstag früh packe ich Naomi in den Anhänger und gehe eine Runde joggen. Nachmittags kommt unsere Haushaltshilfe und ich gehe mit Irina in die City Galerie bummeln. Wir essen Sushi, ich kaufe mir neue Treter und Naomi bekommt ein neues Kuscheltier. Am Mittwoch ist wieder Logopädie und ich springe für die Zeit auf die Arbeit. Aber vormittags trafen wir uns mit der Babygruppe aus unserer Gemeinde. Das wollten wir so lange schon machen und endlich klappte es zur Freude aller.

Zwischendrin wurde uns die Tage auch wieder leckeres Essen gekocht und es vereinfacht den Alltag enorm. Wir versuchen die Tage weiter wohldosiert mit Familienleben zu verplanen, mit dem Ziel Irina dabei zu schonen und Naomi nicht zu vernachlässigen. Ein Spagat der sehr herausfordert und ohne Unterstützung nicht funktioniert. Hierfür haben wir die SAPV, die ich zwischendrin immer wieder update, unsere Eltern, Freunde, Kollegen und die Gemeinde. Es ist also viel (positives) los und ich gehe heute Vormittag mit Naomi ins Schwimmbad. Mittags ist Logopädie und am Nachmittag gibt es einen Hausbesuch der SAPV. Grund: wir besprechen den Medikamentenplan und der Arzt schaut sich die Wunde am Kopf mit an. Seit Wochen kontrolliere ich die Wunde, verbinde und wechsele Kompressen und Pflaster. Der Heilungsprozess zieht sich hin, aber die Wunde ist mittlerweile trocken und somit eine deutliche Last der Infektionsgefahr weggefallen. Aber ich habe irgendwann einen Fadenrest entdeckt, der muss dann heute noch entfernt werden.

Ich bin drin im Rundum Versorgungsmodus und dank Gottes Hilfe sind wir sehr gut versorgt! Die Koordinierungsstellen greifen und wir sind dankbar für gewisse „Normalität“ in diese Phase. Ihr unterstützt uns am besten wie immer mit Gebet!

„Der HERR ist meine Stärke und mein Schild;
auf ihn traut mein Herz und mir ist geholfen.
Nun ist mein Herz fröhlich,
und ich will ihm danken mit meinem Lied.“
Psalm 28, 7

17.10.2022

21:30 Uhr: Das Wochenende verlief sehr gut. Wir bekamen Besuch von Irinas Freunden aus der Heimat, verbrachten schöne Zeit miteinander, konnten sonntags die Gemeinde besuchen und wurden wieder mit Naomi vereint. Irina war/ist gut bei Kräften und blieb auch bis heute weiter stabil. Sie ist wieder besser zu Fuß unterwegs, dennoch ist der Rollstuhl auch immer wieder im Einsatz. Aber sie meistert das alles sehr tapfer und … sie leuchtet und strahlt dabei! Beispiel gefällig?

Seit unserer Bekehrung haben wir es auf dem Herzen uns für ausgebeutete und versklavte Menschen einzusetzen, insbesondere für Zwangsprostituierte. Jedes Jahr findet hierfür Mitte Oktober ein „Walk for Freedom“ in vielen Städten Europas statt. Ich fragte Irina am Samstag, ob sie wie jedes Jahr wieder mitlaufen wollen würde? Ein Strahlen in ihren Augen: Was für eine Frage! Also nahmen wir teil und ich schob Irina einfach die knappen 4 Kilometer im Rollstuhl. Mit dabei: Hansi

Dieses leuchten meine ich, wenn der Rollstuhl und der Grund dafür zur Nebensache wird! Wisst ihr was das ist? Frieden im Herzen. Frieden mit Gott.

„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,
wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.“
Philipper 4, 7

So starten wir auch heute wieder positiv in diese Woche und danken euch für eure Gebete!

Ps: Du möchtest dich auch für versklavte Menschen einsetzen? Dann kannst du dich hier informieren und/oder auch spenden . Nach wie vor bin ich IJM-Botschafter und möchte gerne weiter für deren Arbeit werben.

Wie mein persönlicher Einsatz hier aussah, könnt ihr euch gerne in dem Beitrag „Muskathlon“ ansehen.

15.10.2022

08:00 Uhr: Was für eine Woche und wir gehen vorsichtig positiv ins Wochenende. Am Donnerstag berichtete mir zunächst unsere Logopädin von kleinen Lichtblicken. Von heute auf morgen war ein deutlicher Unterschied bei Irinas Gesamtverfassung wahrzunehmen. Sie probierte wieder etwas zu lesen und konnte auch wieder besser schreiben. Ich bemerkte zudem auch eine körperliche Stärkung und wir gingen nachmittags mit Naomi in unseren Hof zum Spielen mit den Nachbarskindern.

Gestern dann ähnliches Bild, Irina ist und bleibt stabil. Sie ist sowohl sprachlich als auch motorisch wieder fitter. Dann kommt am Mittag der medizinische Dienst zur Begutachtung, da wir eine Pflegegrad-Erhöhung beantragt haben. Meine Mutter ist zur Unterstützung beim Gespräch dabei, da sie vom Fach ist und Naomi anschließend übers Wochenende zum Tapetenwechsel mit nimmt. Die Fragen des Arztes offenbaren, trotz der beschriebenen positiven Dinge, was wir bereits wussten. Irina ist enorm eingeschränkt, ist auf Hilfsmittel angewiesen und muss zu 100% begleitet werden. Der Arzt muss Detailfragen stellen, aber er brach jedes mal sehr umsichtig ab, als er eine deutliche Reaktion bekam. Alles in allem war uns wichtig, dass diese Begutachtung für Irina nicht unnötig belastend wird. Aber Gott sei Dank verlief alles gut und der Arzt verhielt sich sehr professionell. Ich telefoniere mit der SAPV und wir tauschen uns fürs Wochenende aus. In dieses starten wir wie gesagt vorsichtig positiv und haben Freunde aus Irinas Heimat eingeladen.

Ein Wort noch zur Palliativ-Versorgung:

Ich bin dankbar über die hohe Professionalität die seitens der SAPV ausgestrahlt wird und spürbar Ruhe reinbringt. Wir haben seither eine engmaschige Kontrolle, dokumentieren und tauschen uns intensiv aus. Ein Ziel: eine angemessene Betreuung für Irina und eine deutliche Steigerung ihrer Lebensqualität. Lange habe ich mich nach dieser professionellen Unterstützung gesehnt und jetzt wird dieser Wunsch durch den hingebenden Einsatz dieser Menschen endlich erfüllt! Meine tiefste Hochachtung und ich bin einfach nur dankbar.

Und das beruht offensichtlich auf Gegenseitigkeit, wie unser Spezialarzt mir feedbackte. Mir kamen danach die Tränen, der Arzt konnte es ja nicht wissen, aber ich sehnte mich all die Monate nach ehrlichem Feedback, ob ich aus medizinischer Sicht die Dinge „richtig“ mache. Immer schwelte eine latente Unsicherheit in mir mit und der massive Druck der Verantwortung ist omnipräsent. Viele Abende kniete ich und betete nur dieses Gebet:

„Vater, schenk mir Kraft meine Frau zu lieben mit allem was ich habe und
hilf mir ein Ehemann nach deinem Willen für sie zu sein.
Ich bin schwach und weiß oft nicht weiter,
Ärzte versagen und der Mensch hat längst aufgegeben.
Aber Du, allmächtiger Gott, bist treu.
Unser Vertrauen liegt nur in dir! Hilf mir standhaft zu bleiben und
ein wohlgefälliger Beistand für Irina zu sein! Amen.“

Dann das sinngemäße Feedback des Arztes: Nein, wir sind ihnen dankbar. Wer bei einem Krampfanfall so reagiert wie sie, ist ein Profi. Sie haben ihre Frau gerade gerettet und ich brauche ihnen nicht zu sagen was zu tun ist. Sie machen das schon lange genug mit und ich denke sie ist sehr glücklich, dass sie an ihrer Seite sind. Machen sie einfach weiter wie bisher, sie vereinfachen unsere Arbeit sehr und je weniger wir hier sind, umso besser.

Manchmal nutzt Gott Umstände und Menschen, um direkt zu uns zu sprechen und uns zu helfen. Ich danke Gott für diese Menschen und dass er mich mit allem ausstattet was nötig ist, um weiter für Irina da sein zu können. Der HERR ist meine Stärke. Dir Jesus sei alle Ehre dafür.

„Aber der HERR ist meine sichere Burg geworden,
mein Gott der Fels, bei dem ich Zuflucht gefunden habe“
Psalm 94, 22

13.10.2022

Der gestrige Tag verlief den Umständen entsprechend gut, aber ich kam nicht mehr dazu hier ein Update zu machen. Ich wollte berichten wie Irina den Anfall verkraften konnte.

Sie ist motorisch etwas eingeschränkter und ihr Körper wurde weiter geschwächt. Wir hatten für diesen Fall vorgesorgt und im Keller Duschhocker und Rollstuhl bereit gestellt. Diese kommen jetzt zum Einsatz und ich bin dankbar, dass Irina diese Hilfsmittel auch annehmen konnte. Ich bin selbst immer ungern an den Geräten im Keller vorbeigegangen und hoffte innerlich, dass wir sie nie brauchen würden. Aber sie vereinfachen uns den Alltag enorm und Irina ist froh über die Hilfsmittel, denn sie spürt wieder eine größere Sicherheit. Laufen, stehen oder setzen war bereits sehr anstrengend und sie bemerkte selbst, dass ihre wackeligen Bewegungsabläufe eine hohe Sturzgefahr darstellten. Aus dieser Sicherheit heraus kann sie besser von A nach B laufen und wir haben weniger Sorge, dass sie unbeaufsichtigt ist und stürzt. Bleiben noch die kognitiven Fähigkeiten. Es war schon deutlich und die gestrige Logopädie Stunde bestätigte das Bild. Irina hat enorme Einschränkungen was Sprache, Schrift, lesen und Konzentration betrifft. Aber Logopädie ist nicht nur da, um Schäden zu suchen, sondern v.a. um vorhandene Fähigkeiten zu fördern. Gerade hierfür ist unsere liebe Schwester genau die richtige Ansprechpartnerin und heute gibt es nochmal eine Stunde.

Wir sehen also enorme Einschränkungen, aber glückliche Umstände. Essen und trinken funktioniert alles mit liebevoller Unterstützung und Irina hat keine Schmerzen. Sie ist trotz der massiven Symptomlast lediglich auf ganz wenig Medikamente angewiesen, was wirklich ein Segen ist. Zusätzlich hilft ihr der Familienalltag sehr und wir können wohldosiert Dinge unternehmen oder Freunde einladen. Naomi findet den Rollstuhl klasse und wir schießen mal zu dritt durch die Wohnung. Das sind die kleinen Dinge die Freude bereiten und trotz dem Horror von Dienstag ist Irina sehr glücklich.

Am Nachmittag kam meine Mutter spontan und entführte Naomi etwas. Ich ging mal wieder eine Runde laufen, während Mama und Tochter gemeinsame Zeit bekamen. Der Lauf tat gut, Kopf frei machen, fokussieren, morgen ist wieder ein neuer Tag. Am Abend bekamen wir dann noch eine Essenslieferung von unseren Helfern aus der Gemeinde. Lasst uns weiter danken und beten. Der HERR ist mit uns, es gibt keinen Grund für Furcht!

„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst!
Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.“
Jesaja 43, 1

11.10.2022

Der Start in die Woche war positiv, Irinas Zustand blieb weiter stabil und wir nutzten das schöne Wetter für einen Familienausflug. Dazu trafen wir uns mit einer anderen Familie aus der Gemeinde an einem Abenteuerspielplatz. Die Kinder tobten sich aus und die Erwachsenen plauderten bei Kaffee und Kuchen. Irina genoss sichtlich die frische Luft und Sonnenstrahlen, während sie auf einer Parkbank überwiegend unseren Gesprächen lauschte oder die Kinder beim Spielen beobachtete. Mit wenig Bewegung genau die richtige Balance für Irina, die doch nach wie vor mit Schwäche kämpft und sich mit viel Bewegung schwer tut. So geht sie zufrieden ins Bett und heute gegen Mittag der schwere Dämpfer:

Ein epileptischer Anfall.

Irina sitzt mit ihrer Mutter und Naomi zu Tisch, als urplötzlich der Krampfanfall einsetzt. Irinas Mutter ruft mir erschrocken laut zu, als ich gerade den Raum betrete. Ich sehe nur noch wie Irinas Gesicht und Oberkörper steif verkrampfen und sie links vom Stuhl kippt. Gerade noch rechtzeitig fange ich sie auf und mit aller Kraft wuchte ich sie zurück in den Stuhl. Noch ist sie steif, es ist nicht unser erster Anfall und ich wusste was als nächstes kommt. Ich umklammere Irina fest am Oberkörper und fordere Irinas Mutter auf mit Naomi das Zimmer zu verlassen. Und schon ging der Anfall erst so richtig los. Wie bei einem Zugriff umklammere ich sie, presse sie fest an mich und schiebe mich hinter sie, zwischen den Stuhl auf dem sie vor dem Tisch sitzt und die Wohnzimmerwand hinter mir. Sie bäumt sich auf, Arme und Beine zappeln völlig unkontrolliert. Sie darf nicht vom Stuhl rutschen und ihr Kopf darf nirgends anschlagen. Der Krampf wird immer heftiger, ich presse die gesunde Seite ihres Kopfes in meine Schulter, so könnte ich sie zur Not auch kontrolliert zu Boden bringen…Aber so weit kommt es nicht mehr, die Zuckungen lassen langsam nach, ich kann den Griff lockern und Gott sei Dank ist wenige Sekunden später der Anfall vorüber.

Irinas Mutter verständigte zwischenzeitlich den Notdienst der SAPV, die dann wenig später mit den nötigen Medikamenten eintrudeln. Der erste Schock vorbei, das gröbste überwunden, doch wie geht es Irina?

Sie kommt nur langsam zu sich, aber das wichtigste: sie ist nicht verletzt. Ihre Hände und Füße schmerzen etwas, da sie damit mehrfach unvermeidbar gegen den Tisch gestoßen war. Aber das sind die geringsten Sorgen. Ihr Blick ist nach wie vor trüb, sie wirkt benebelt, dann beginnen die Medikamente zu wirken. Langsam klart ihr Blick auf und ihre Sprache kehrt etwas zurück. Alles in Ordnung, was ist passiert? Aber sie kann sich an nichts erinnern. Wir stellen ihr keine weiteren Fragen, ihr Gehirn hat gerade etwas mehr als einen Streifschuss abbekommen und wir wollen keine weitere Störung verursachen. Der Arzt der SAPV ist umsichtig und professionell, so bleibt er noch etwas bei uns und wir besprechen ein paar Dinge. Noch ist nicht klar wo und wieviel Schaden der Anfall insgesamt gemacht hat und wie es aktuell weitergeht. Doch wie wir bereits ahnten, zeigte sich bald ein Schaden: Irina kann nicht mehr von alleine aufstehen. Mit Unterstützung konnten wir sie etwas führen, aber zur Sicherheit holten wir den Rollstuhl aus dem Keller. Auf einem normalen Stuhl sitzen oder freies Laufen ist nur erschwert möglich, aber v.a. zu ihrer eigenen Sicherheit nicht mehr zu verantworten. Absofort sind wir auf einen Rollstuhl angewiesen.

Alles in allem blieb Irina bewahrt und wir sind dankbar, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Ein Sturz oder Anschlag auf die Stelle am Kopf ohne Schädeldecke… nicht auszudenken. Der Anfall und die Medikamente machen sie müde und ich bringe sie ins Bett. Seit Juli 2021 gab es keinen Anfall mehr, was bis heute durchaus ungewöhnlich lange ist. Von daher keine Panik, aber vorsichtig realistisch bleiben. Die SAPV (und wir auch) schätzen die Lage durchaus kritisch ein, auf Grund der hohen Symptomlast die innerhalb kürzester Zeit immer massiver wurde. Es bleibt abzuwarten was als nächstes droht und wieder mal ist alles völlig ungewiss und angespannt.

10.10.2022

Der Freitag war wirklich ein Schock, aber Gott sei Dank pendelte sich Irinas Zustand übers Wochenende wieder ein. Ich bin dankbar für die Betreuung durch die SAPV, die mit uns das alles realistisch eingeschätzt hat. So bekamen wir Ruhe rein, was bei den enormen Symptomen generell nicht so leicht ist und hatten eine vorsichtig positive Hoffnung. Die Vorgehensweise hat sich bewährt und wir sind dankbar, dass es Irina dann besser ging. So konnten wir gestern sogar seit langem mal wieder in die Gemeinde gehen. Irinas Augen leuchteten, als ich sie fragte, ob wir gehen sollen. Man könnte meinen dass sie die Abläufe, viele Menschen und verschiedene Eindrücke etc. momentan überfordern könnten. Aber die Sonntags-Routine und die bekannte Struktur des Gottesdienstes, mit einer Stunde Zeitaufwand, ist eine sehr gute Dosis und bietet viel positives für Irina. Sie liebt die Gemeinschaft mit den Heiligen, Gott loben mit Gesang begleitet durch Klavier und sie trällert und summt die erbaulichen Lieder mit. Sie ist einfach glücklich lieb gewonnene Geschwister zu sehen und auch mal zu drücken – was auf Gegenseitigkeit beruht und die ein oder andere Träne verursacht. An Liebe mangelt es in unserer Gemeinde wirklich gar nicht und das erbaut Irina unvorstellbar. Diese Nächstenliebe zeichnete sich diese Tage auch wieder in Essenslieferungen aus. Die Orga läuft wunderbar und es ist unfassbar wie gut es schmeckt! Es ist auch so berührend wie die Freude uns etwas Gutes zu tun bei den Übergaben förmlich überschwappt. Wir werden sehr dankbar, denn wir erleben in dieser Gemeinde was Jesus uns geboten hat:

„Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander lieben sollt,
damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt“
Johannes 13, 34

Danke an alle Helfer!

Wir starten in die neue Woche und ich werde mit SAPV und Onkologie weiter über medizinisches eng beraten.

08.10.2022

20:00 Uhr: Irinas Zustand blieb stabil und das Wetter hielt auch. So konnten wir die Überraschung für Irina umsetzen: Ein Hubschrauber-Rundflug über unsere schöne Stadt Augsburg.

Wie kam es eigentlich zu dieser Idee mit dem Rundflug?

Als sich Irinas kognitiver Zustand zwischen den letzten OPs verschlechterte, entdeckte sie eine Funktion bei Google Maps ganz neu für sich. Nämlich die Satelliten-Ansicht. Es faszinierte sie unser Wohnviertel und generell die Stadt von oben zu betrachten. Als es ihr dann im Krankenhaus nicht so gut ging, entdeckte ich auf ihrem Handy zufällig eine geöffnete Webseite mit Hubschrauber-Rundflügen. Mir kamen damals die Tränen. Ich erinnerte mich schlagartig an die Abende, wo sie mit ihrem Handy über die Stadt „flog“ und ich wusste sofort sie würde das sehr gerne mal machen. Aber zu diesem Zeitpunkt sah alles danach aus, als würde sie dazu bald nicht mehr im Stande sein. Ich weiß noch wie ich meine Tränen vor ihr versteckte und aus dem Fenster Richtung Himmel blickte. Im Herzen bat ich Gott uns das zu schenken und ich nahm mir damals fest vor Irina diesen Wunsch zu erfüllen!

…und so nahm die Geschichte ihren Lauf…Gott kennt unsere Wünsche ganz genau und erfüllt sie uns…

 

„Er gebe dir, was dein Herz begehrt,
und lasse alle deine Vorhaben gelingen!“
Psalm 20, 5

 

 

Mit an Board Mama Irina und ein blinder Passagier namens „Hansi“ (mal sehen wer ihn entdeckt).

09:00 Uhr: Die Nacht war gut und die gestrige Symptomatik mit starker Übelkeit, Müdigkeit und Schwäche ist wieder weg. Dann die Wundkontrolle: die Haut sieht gut aus, zum ersten Mal scheint der Verband trocken zu sein. Das sind erstmal erfreuliche Nachrichten und ein guter Start in den Tag! Passend hierzu kommen beide Omas gegen Mittag hier in Augsburg an und wir haben mit Naomi wieder die Familienzusammenführung. Sollte das Wetter halten, habe ich mit Irina noch eine kleine Überraschung vor.

07.10.2022

20:45 Uhr kurzes Tages-Update: Die Betreuung durch die SAPV lief gut. Wir überprüften die Medikamenten-Vorräte und besprachen Dosierungen angepasst an verschieden Szenarien. Ich bin mittlerweile der laufende Beipackzettel und ein Bruder aus der Gemeinde kommt vorbei, um fehlende Medikamente und Utensilien aus der Apotheke zu besorgen. Die SAPV verabschiedet sich wieder und Irina hat nach dem Treffen erstmal bis Nachmittag durchgeschlafen. Aber sie hat bis abends dann keine Beschwerden mehr wegen Übelkeit oder sonstigem. Eigentlich ist sie wie die Tage davor wieder recht stabil, worüber wir dankbar sind. Am Abend werden wir von einer Freundin mit einem Wochenend-Einkauf beliefert. Sie ist neu in der reaktivierten Einkaufsgruppe, die uns bereits letztes Jahr öfter unterstützt hatten. Morgen kommt Irinas Mutter wieder und wir beten für eine ruhige Nacht.

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07:00 Uhr:

Irina wird vor Übelkeit wach, ich durch die Brechgeräusche ebenfalls. Unser Morgen beginnt stressig und ich bemühe mich Irina so gut es geht zu unterstützen. Die Symptomlast hat über Nacht zugenommen, sie hat sich zudem scheinbar erkältet, was sich die Tage leider auch angebahnt hatte. Viele Dinge die gestern funktioniert haben, funktionieren heute beim aufstehen und umziehen nicht mehr.. es ist gut, dass heute die SAPV kommt und sich ein Lagebild macht.

Ich werde euch heute mal etwas mit in unseren Pflegealltag reinnehmen, da ich auch wieder vermehrt über Irinas Zustand gefragt wurde. Diese Frage geht nicht allgemein zu beantworten, aber ich verstehe das Interesse und die Anliegen. Ich werde wie gewöhnlich eine sehr ehrliche Antwort geben. Es sind harte Fakten, die vielleicht nicht allen bekannt sind, die aber auch die Sensibilität mit der Frage nach dem „Wie gehts?“ fördern soll. Leider werdet ihr hier gleichzeitig mit der Grausamkeit der Erkrankung konfrontiert, die doch oftmals auf den ersten Blick unsichtbar erscheint. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Irina das Leid im Glauben angenommen hat. Wenn du noch nie einen Glioblastom-Patienten kennengelernt hast, machst du dir keine Vorstellungen. Wenn du aber meine Frau kennst oder aufmerksamer Leser dieses Blogs bist, weißt du dass Irina ein äußerst außergewöhnlicher Patient ist. Sie hat einen bösartigen unheilbaren Tumor im Gehirn der angefangen hat zu streuen, womit sie ein endgültiges Todesurteil bekommen hat. Dennoch hat sie eine unbändige Hoffnung im Glauben an Jesus Christus und dadurch ein Heil, dass ihr kein Arzt geben kann – ewiges Leben. Sie und ihr Körper reagieren daher hauptsächlich a-typisch: sie wehrt sich, aber nicht panisch, sondern mit Frieden. Die meisten Patienten mit einem Glioblastom sind eher alt, haben den Symptomen fast nichts mehr entgegen zu setzen und kaum lebensbejahende Umstände. Irina ist jung, hart im Nehmen und hat mindestens zwei gute Gründe zu kämpfen: ihre Tochter Naomi und mich als ihren Ehemann. Doch dieser Kampf ist nicht realitätsfremd oder sinnlos. Sie weiß, dass ihr Leben nicht mehr ihr selbst gehört. Ihr Leben liegt in Gottes Hand.

Kommen wir zu den Fakten:

Irina hat einen Pflegegrad 3, der demnächst angehoben wird. Sie ist zu 100% schwerbehindert eingestuft, mit Begleitperson. Das ist auch notwendig, da sie jederzeit einen epileptischen Anfall bekommen kann. Aktuell fehlt ihr ein Teil ihres Schädeldeckenknochens an der Stelle, wo sie bereits 10 mal operiert wurde. Sie hat daher eine ca. 20cm große Narbe am Kopf, die auf Grund der vielen Operationen nur schwer verheilt. Dadurch ergibt sich ein Dauerrisiko der Infektionsgefahr. Der aggressive Tumor-Progress fordert Raum im Gehirn der zu neurologischen Störungen führt. So leidet darunter aktuell wieder ihre Sprache und durch die Wortfindungsschwierigkeiten ist eine Kommunikation kaum möglich. Ihre Konzentrationsfähigkeit ist ebenfalls stark beeinträchtigt, weshalb sie durch alles enorm schnell abgelenkt wird und sie sich kaum etwas merken kann. Die größte Einschränkung ist im Moment, dass ihr Zeitempfinden komplett gelöscht ist. Dadurch und durch die fehlende Konzentrationsfähigkeit ist sie in ihrer Selbstständigkeit völlig eingeschränkt und oft auf fremde Hilfe angewiesen. Dazu baut ihre Muskulatur stetig ab und sie wird immer schwächer. So ist sie auch motorisch bereits leicht eingeschränkt und muss bei kleineren Alltags-Dingen oder beim Laufen unterstützt werden. Bisher hat Irina Gott sei Dank kaum Kopfschmerzen und nur hin und wieder wird sie von Übelkeit geplagt. Sie sieht keine Doppelbilder und hat keine Sehstörungen. Meistens schläft sie nachts gut, allerdings nimmt im Moment die Müdigkeit auch tagsüber zu. Zuletzt das neueste und vielleicht schwerwiegendste Symptom: Vergesslichkeit. Und ich meine damit die Form, die auch Erinnerungen betrifft.

Der Alltag:

Grundregel: Mein Tag beginnt und endet nicht ohne Gebet. Und ohne ein Wort aus der Bibel verlasse ich nicht das Haus.

Morgens wecken, Routine in den Alltag bekommen und Ordnung im Chaos behalten, sind die Schlagwörter. Potenzielle Gefahren erkennen und präventiv denken. So musste ich Medikamente verstecken, zu hoch die Gefahr, dass es zu unbemerkten Einnahmen kommt. Gleichzeitig muss sie bestimmte Medikamente kontinuierlich einnehmen und das nur unter Beobachtung. Toilettengang, Bad, duschen, Zähneputzen, ankleiden, wird alles zusammen gemacht. Dann Wundkontrolle am Kopf: Hände desinfizieren, Pflaster lösen, Kompresse kontrollieren, Wunde begutachten, neue Kompresse drauf und Pflaster drüber, erste Tagesphase geschafft. Wenn keine Termine anstehen, bekommen wir das mittlerweile innerhalb von 1 1/2 Stunden hin. Wenn Termine anstehen kommt Zeitdruck dazu, aber durch diszipliniertes Vorausplanen schaffen wir das meistens dann auch. Die Kunst hierbei, Irina keinen Druck machen und selbst den eigenen Stress nicht anmerken lassen. Gelingt leider nicht immer. Zwischendrin was essen oder etwas einpacken für unterwegs. Für unterwegs habe ich mittlerweile meinen Rucksack mit Notfall-Dingen für Irina befüllt, inklusive wichtigen Dokumenten in Kopie und einer Powerbank fürs Telefon. Bin ich mit Irina außer Haus muss ich immer erreichbar sein, sollte z.B. was mit Naomi sein. Sollten wir außerplanmäßig wohin, brauche ich außerdem Akku, um dann von dort Dinge umzuorganisieren. Alles eine Sache der Planung und ein Leben in der Lage – etwas was ich in meiner Ausbildung beim USK wunderbar lernen durfte. Terminplaner checken, endlich mal was essen, Homeoffice-Zeiten korrekt eintragen, Irinas Gemütszustand einordnen, was können wir heute noch machen? Manchmal ist sie dann fit und wir unternehmen etwas, manchmal war alles schon recht belastend und wir bleiben in den eigenen vier Wänden. Alles in Abstimmung mit den Müttern, die sich um Naomi kümmern, damit keiner zu kurz kommt oder zu sehr belastet wird. Neue Termine entsprechend verteilt ausmachen, damit dazwischen Puffer zur Regeneration ist und genügend Energie für Familienaktivität ist. Je nach Gemütszustand von Naomi essen wir zusammen zu Abend als gemeinsamer Tagesabschluss, dann bringe meistens ich Naomi ins Bett. Danach runterkommen, Zeit für geistlichen Input, wir lesen gemeinsam Bibel und tauschen uns aus. Danach ins Bad, umziehen wieder alles gemeinsam und dann ins Bett. Was bringt der nächste Tag? Bevor wir schlafen beten wir und geben unsere Sorgen ab. Gott ist treu.

Also wie geht es uns jetzt? Ihr seht es ist kaum adäquat zu beantworten, aber ich hoffe ich konnte einen Einblick geben was bei uns los ist. Vieles ist unfassbar schlecht, dennoch spüren wir Gottes Kraft und Bewahrung. Darüber sind wir dankbar und unsere Stärke kommt nur vom HERRN. Ich sage es mal so, wenn ich Irina abends frage, ob ihr irgendetwas fehlt, sagt sie eigentlich immer: nein. Wenn ich sie tagsüber frage, ob sie glücklich ist, sagt sie meistens: ja. Ihr fehlt es an nichts und sie ist glücklich. Ist es nicht das wonach sich jeder Mensch sehnt? Kein Mangel, glücklich sein, ist das nicht die Fülle des Lebens? Das ist es was Jesus dir schenkt, das ist ein Leben nicht von dieser Welt, ein Leben im Überfluss*!

„ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es im Überfluss haben“
Johannes 10, 10b

* Bei Interesse schaut euch den Beitrag „Wohlstandsevangelium“ an. Hier gehe ich genau darauf ein, den Überfluss den viele vollkommen falsch verstehen und falsch lehren. Eine böse Saat die uns lange negativ beeinflusst hat, wovon wir uns Gott sei Dank distanzieren konnten. Mit allem was dazu gehört, ein Gemeindeaustritt und Beziehungen zu unbußfertigen Personen brechen, die uns geistlich missbraucht haben. Wozu das geführt hat? Hier zitiere ich gerne meine Mutter, die das vor kurzem so kommentiert hat: „Es ist ein Wunder, dass Irina die Geburt, unter Hirneinblutung und Tumor-OP damals überhaupt überlebt hat. Das ist nur Gottes Gnade! Und die kann man seitdem ihr euch von den ganzen Einflüssen abgewandt habt, durchgehend in eurem Leben erkennen.“ Ein Amen dazu!

„Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Weisheit;
sie macht alle einsichtig, die sie befolgen.
Sein Ruhm bleibt ewiglich bestehen.“
Psalm 111, 10

06.10.2022

Gestern begann der Tag außergewöhnlich ruhig, da weder Omas, noch Naomi da waren. Vormittags kam dann unsere Logopädin, brachte leckeres Essen mit und schnibbelte für uns einen frischen Obstsalat. Ich ging in der Zwischenzeit auf die Arbeit und erledigte ein paar Dinge, die ich nicht aus dem Homeoffice erledigen kann. Ja, ich arbeite nebenbei, es ist wohldosiert und tut mir gut. Nach wie vor in Teilzeit und Homeoffice, die Dienststelle steht zu 100% hinter uns und es gibt keinerlei Druck. Der Rückhalt ist enorm und ich gebe sehr gerne zurück, was aktuell drin ist. Eine vernünftige Mischung und ich bin einfach nur dankbar über meine Arbeit. Der Rest des Tages verläuft hauptsächlich erholsam und am Abend bekomme ich Besuch von einem Bruder aus der Gemeinde.

Der heutige Tag beginnt gut, Irina hat gut geschlafen und ich mache sie fertig.

Mittags ist wieder Logopädie und im Anschluss haben wir einen Termin zur Blutüberprüfung in der Onkologie. Die Sonne scheint und wir genießen im Anschluss einen Spaziergang durch die Innenstadt. Aber als wir am Auto ankommen, merke ich dass etwas nicht stimmt. Irina kann nicht von alleine einsteigen. Ihr Körper zeigte seit einigen Tagen bereits Schwächephasen an, wir wussten dass das irgendwann kommt. Zuhause dann das selbe Problem, sie kommt nicht mehr aus dem Auto raus. Ich stütze sie, hole einen Stuhl vom Nachbarn und wir machten einfach eine Pause im Hof – mit Kuchen den wir ihr gekauft hatten. Ich bringe sie danach in die Wohnung und sie schläft auf der Couch ein.

Die SAPV kontaktiert mich, ich gebe das Update, sie wollen morgen früh mal auf Besuch kommen.

04.10.2022

Die Nacht war gut und wir standen früh auf, damit wir pünktlich um 9:30 Uhr im Klinikum ankamen… Um dann festzustellen, dass man uns gar nicht erwartet hatte… Offensichtlich hatte der Arzt von Freitag den Termin nicht eintragen lassen. Immerhin erkannte man die Notwendigkeit unseres Besuchs und wir mussten nur etwas länger warten als sonst. Dann die nächste Überraschung, der Arzt von Freitag war heute gar nicht da, sondern eine Kollegin. Eigentlich unrelevant, wir kennen auch diese Ärztin und es gibt eigentlich kaum einen Neurochirurgen den wir nicht kennen oder umgekehrt. Aber der Arzt von Freitag wollte etwas wichtiges mit dem Professor besprechen, was die Therapie Maßnahmen betrifft und es uns dann heute mitteilen. Ich ahnte es schon und dann die nüchterne Erkenntnis: dieser Arzt hat heute Urlaub. Es ist überflüssig zu erläutern, dass wir natürlich keinerlei der gewünschten und wichtigen Informationen erhalten haben. Infos die wir heute eigentlich bei einer Untersuchung bei der Onkologin gebraucht hätten. Ohne Worte. Dann die Wundkontrolle…

Die Ärztin, die für den Fehler des Kollegen natürlich nichts dafür konnte, entschuldigte sich noch und begutachtete dann die Wunde. Es ist immer noch leichter Wundflüssigkeits-Austritt vorhanden. Die Haut ist aber reizlos und geschlossen, was ein gutes Zeichen ist. Die Ärztin zieht die Fäden. 17 mal mit auf die Zähne beißen. Dann ist es geschafft. Wie geht es weiter?

Kompresse drauf und Pflaster drüber, täglich kontrollieren und hoffen, dass die Wunde zu bleibt/heilt. Ich kenne das Prozedere. Wie immer gibt man mir die Verantwortung, aber ich kenne mich mittlerweile aus und eine andere Option gibt es nicht. In diesem Zustand ist eine Therapie sowieso nicht vorstell- und zumutbar, wodurch der „Ausrutscher“ des Arztes von Freitag zumindest dahingehend keine negativen Konsequenzen für uns nach sich gezogen hat.

Dafür ist Irina leider nach dem Krankenhausaufenthalt total platt und ich lege sie zuhause ins Bett. Zum ersten Mal seit längerem haben wir es mal wieder mit Müdigkeit zu tun. Ich update die SAPV telefonisch, sie bleiben unser Backup. Den Termin in der Onkologie sage ich ab. Um 14:00 Uhr kommt die Haushaltshilfe, später meine Mutter. Sie bleibt eine Nacht bei uns für Naomi, da ich Irina rund um die Uhr versorge .. keine Pause. Dann fährt Naomi mit zu meinen Eltern, paar Tage Tapetenwechsel. Heute Abend fährt Irinas Mama für drei Tage nachhause .. Arbeiten .. ebenfalls kaum Pause .. aber wir haben ein und den selben Motor:

Jesus!

Wie sagte die Betreuerin der SAPV heute trefflich: „sie haben wirklich eine sehr authentische Hoffnung, wir erleben so etwas leider ganz selten“.

Der Glaube an Jesus bewirkt diese Hoffnung. Wir haben diese Kraft selber nicht, aber der Glaube versetzt Berge.

„Denn wahrlich, ich (Jesus) sage euch: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, so würdet ihr zu diesem Berg sprechen: Hebe dich weg von hier dorthin!, und er würde sich hinwegheben; und nichts würde euch unmöglich sein.“
Matthäus 17, 20

03.10.2022

Die Nacht läuft besser und Irina bekam ausreichend Schlaf. Wir bekamen Besuch von der Koordinierungs-Chefin „Essen“, mit frischem Essen und ihrer Familie. Eine gelungene Zeit mit schönem Austausch und Spielfreude für Naomi. Danach verbrachte Irina den Nachmittag auf unserem Balkon, in Decke gehüllt bei angenehmer Spätsommer-Sonne und mit frischem Obstsalat. Später gingen wir sogar noch spazieren und der Tag fühlte sich im Vergleich zu gestern deutlich angenehmer an. Wir werden dankbar darüber und gehen früh ins Bett, denn morgen früh steht wieder ein Wundkontrolltermin im Klinikum an. Ich wechselte heute einmal den Verband, doch leider ist die Wunde wieder nicht ganz trocken. Eigentlich müssen die Fäden raus und es ist wiedermal völlig ungewiss was der Termin morgen bringt. Im äußersten Fall würde sogar eine weitere Operation im Raum stehen. Ein kleiner Eingriff, bei dem „drüber“ genäht werden müsste. Unnötiger Stress, aber evtl. leider die einzige Option wegen der Wundstörung und der immer weiter zunehmenden Infektionsgefahr. Wie immer unterstützt ihr uns hier am meisten mit Gebet. Vielen lieben Dank und als Abschluss genießt mit den Irinas&Naomi die Spätsommer-Sonne.

02.10.2022

Unsere Versorgung durch die Geschwister aus der Gemeinde läuft nach wie vor hervorragend. Neben dem guten Essen, werden wir sehr stark im Gebet begleitet und ich komme regelmäßig in wichtigen Austausch. Es ist sehr ermutigend und bewegend, wie uns hier selbstlos gedient wird. Wir spüren förmlich wie sich Bruder und Schwester vereint unter unser Kreuz werfen und mit dagegen stemmen. Das ist diese Kraft, diese Verbundenheit im Leid, was es uns ermöglicht durchzuhalten. Es ist ein unfassbares Geschenk, dass wir in diese Gemeinde gefunden haben. Wir sind geeint im Glauben, wo alle mitleiden wenn einer leidet und das geht weil wir alle das selbe Vorbild, den selben HERRN und das selbe Ziel haben: Jesus Christus (s. Titelvers).

„Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit“
1. Korinther 12, 26a

Das funktioniert auch bis nach Übersee! Unser Bruder Joel meldet sich aus Amerika und er will uns auch etwas Gutes tun. So bekommen wir Freitagabend passenderweise ein paar „American Burger“ bestellt, per Lieferando, aus Amerika. Thanks Brother! Gestern kam dann eine junge Familie aus unserer Gemeinde zu uns. Neben Kinderbeschäftigung gab es lecker Lasagne. Es hört sich vielleicht so an als wäre „alles in Ordnung“, aber das ist es natürlich nicht. Es ist ein schmaler Grad für Irina den Alltag so positiv wie möglich zu gestalten, sie dabei nicht zu überfordern und gleichzeitig nicht Naomi zu vernachlässigen. Jeder Tag ist gespickt mit Schwierigkeiten und die Anspannung nimmt deutlich zu, da durch Irinas Zustand jederzeit eine unvorhersehbare Situation entstehen kann. Irinas Mutter läuft auf Hochtouren. Keine Pause. Nächste Woche nehmen wir sie raus, meine Eltern springen ein. Auch hier wird unermüdlich angepackt. Ich werde nur noch dankbar in meinen Gebeten, dass ich diese Familie habe! Sowohl die leibliche, als auch die geistliche! Lasst uns nicht müde werden!

„Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden;
denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten,
wenn wir nicht nachlassen“
Galater 6, 9

Leider verschlechterte sich Irinas Zustand heute über Nacht und sie bekam kaum Schlaf. Ihre Verschlechterung wirkt sich hauptsächlich so aus, dass sie immer abwesender und eingeschränkter wird. Sie ist so im Alltag komplett auf meine Hilfe angewiesen. Duschen, waschen, essen, trinken, Toilette, Medikamente nehmen usw. Alle Fähigkeiten nehmen täglich schleichend ab und die Gefahren für sie nehmen stetig zu. Ihr Gehirn scheint sich Stück für Stück abzuschalten. Damit ich nichts übersehe, führe ich ein s.g. Krebstagebuch. Es ist hilfreich um die Symptome richtig einzuordnen und angemessen darauf zu reagieren. Es ist zwar sehr schmerzhaft diesen Prozess als ihr Ehemann zu dokumentieren, aber es hilft mir enorm, meiner Lieben Irina mit allem was ich habe beizustehen! Gleichzeitig schreibe ich mir einiges von der Seele und glaubt mir, es ist besser, dass die Details dort drin stehen und nicht hier. Danke für eure Gebete!

HERR hilf mir weiter ein guter Beistand zu sein!

„denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird
durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi“
Philipper 1, 19